Jede Minute zählt: Verbessertes Outcome bei penetrierendem Trauma durch frühzeitige prähospitale Transfusion

Ein Gastbeitrag von S. Maier, Ulm              Das Interesse am prähospitalen Einsatz von Blutprodukten ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Viele Rettungsdienste sind derzeit noch nicht in der Lage prähospitale Bluttransfusionen durchzuführen, sodass auch eine breite Anwendung und Datenlage bislang fehlen. Bei Patienten mit hämorrhagischem Schock sind eine frühzeitige Blutstillung und Volumensubstitution eine der wichtigsten Maßnahmen. Das Prinzip „Golden hour of trauma“ beschreibt das kurze Zeitfenster nach einer traumatischen Verletzung, das als entscheidende Zeitspanne für das Outcome der Patienten gesehen wird. Mehrere Übersichtsarbeiten deuten jedoch darauf hin, dass diese Zeitspanne kleiner ist, als bislang angenommen. Zudem konnte in mehreren Studien ein Anstieg der Mortalitätsrate gezeigt werden, je länger sich die Transfusion von Blutprodukten bei Traumapatienten verzögerte.

Eine Arbeitsgruppe aus New Orleans führte eine retrospektive Analyse für den Zeitraum von Oktober 2021 bis Januar 2023 durch, in der sie den Zeitpunkt der Transfusion mit Blutprodukten auf die Mortalitätsrate bei Patienten mit penetrierendem Trauma im zivilen Rettungsdienst untersuchten:

Duchesne J, McLafferty BJ, Broome JM, Caputo S, Ritondale JP, Tatum D, Taghavi S, Jackson-Weaver O, Tran S, McGrew P, Harrell KN, Smith A, Nichols E, Dransfield T, Marino M, Piehl M.

Every minute matters: Improving outcomes for penetrating trauma through prehospital advanced resuscitative care.

J Trauma Acute Care Surg 2024, ePub ahead of print

Methode

Die Blutprodukte wurden in diesem Rettungsdienst prähospital im Rahmen eines Transfusionsprotokolls aus 2 Erythrozytenkonzentraten (EKs), 2g Calcium und 2g Tranexamsäure (TXA) verabreicht. Die Kriterien für den Einsatz des Transfusionsprotokolls waren:

  • Blutdruck (RR) < 70 mmHg
  • Blutdruck < 90 mmHg + Herzfrequenz > 110/min

In diese Studie eingeschlossen wurden Patienten mit penetrierendem Trauma, die bei Ankunft des Rettungsdienstes eines systolischen Blutdruck £ 90mmHg hatten, sowie mindestens ein EK prähospital erhalten haben. Als Kontrollgruppe wurde eine Vergleichsgruppe aus der Zeit vor dem prähospitalen Einsatz von Blutprodukten genommen, die die gleichen Kriterien erfüllten. Das primäre Ergebnis war die Zeit bis zur Transfusion, sowie die Auswirkung auf die Mortalität im Krankenhaus. Die sekundären Variablen waren u.a. Dauer bis Eintreffen des Rettungsdienstes, Dauer der prähospitalen Versorgung, Transportdistanz, Vitalparameter, Maßnahmen in der Notaufnahme, Dauer des Aufenthaltes auf Intensivstation und Gesamtdauer des Krankenhausaufenthaltes. Mit dem Ziel unabhängige Prädiktoren für die Mortalität im Krankenhaus zu ermitteln wurde zudem ein multivariates logistisches Modell erstellt.

Ergebnisse

Insgesamt haben 143 Patienten (n= 61 Studiengruppe; n= 82 Kontrollgruppe) die Voraussetzungen der Studie erfüllt und wurden eingeschlossen (83,5% männlich). Das Durchschnittsalter lag bei 34 Jahren (24-43), sowie der durchschnittliche New Injury Serverity Score (NISS) bei 22 (14-30).

Die mittlere Versorgungszeit vom Eintreffen des Rettungsdienstes bis zum Verlassen des Einsatzortes war in der Studiengruppe (8 Minuten) statistisch signifikant länger als in der Kontrollgruppe (6 Minuten; p<0,001). Ergänzend dazu war die gesamte prähospitale Zeitspanne in der Studiengruppe länger (24,5 vs. 20 Minuten; p<0,001).

Die dokumentierten prähospitalen Versorgungszeiten sind mit und ohne Transfusion extrem kurz, da in den (groß-)städtischen Rettungsdiensten der USA traditionell gerade bei penetrierendem Trauma das „scoop ’n run“-Prinzip gilt, um die Patienten möglichst schnell einer umfassenden chirurgischen Versorgung zuzuführen.

Alle 61 Patienten der Studiengruppe erhielten prähospital mindestens ein EK, 60 Patienten (98 %) erhielten zwei EKs, 59 von 61 (97 %) erhielten 2g Calcium und 45 von 61 (74 %) erhielten 2g Tranexamsäure.

Bei der Ankunft im Krankenhaus hatte die Studiengruppe einen statistisch signifikant höheren medianen systolischen Blutdruck (116,5 vs. 88 mmHg; p<0,001) und eine niedrigere mediane Herzfrequenz (79/min vs. 101/min; p=0,03).

Die Zeit bis zur ersten Transfusion war in der Studiengruppe signifikant kürzer (8 gegenüber 26 Minuten; p<0,001). Insgesamt war die Mortalität im Krankenhaus in der Studiengruppe niedriger als in der Kontrollgruppe (7 % gegenüber 29 %; p<0,001).

Eine multivariate logistische Regressionsanalyse wurde durchgeführt, um den Einfluss der Zeit bis zum Beginn der ersten Transfusion auf die Mortalität der Patienten zu bewerten. In die Analyse wurden alle 143 Patienten einbezogen. Nach Kontrolle des Patientenalters, des NISS, der Tachykardie bei der Beurteilung durch den Rettungsdienst und des gesamten prähospitalen Zeitintervalls ergab die multivariate Regression einen unabhängigen Anstieg der Sterblichkeit um 11 % mit jeder Minute Verzögerung bis zur ersten Transfusion nach der Verletzung (OR 1,11; 95%CI 1,04-1,19). Ein Anstieg des NISS war ebenfalls mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate verbunden (OR 1,12; 95%CI 1,07-1,17; p<0,001).

Schlussfolgerung:

Es konnte gezeigt werden, dass der prähospitale Einsatz von Blutprodukten die Mortalität bei Patienten mit penetrierendem Trauma trotz verlängerter prähospitaler Versorgungszeit signifikant verringert. Die Autoren folgern daraus, dass der Blutstillung, den grundlegenden Atemwegsmaßnahmen und den Bemühungen um eine Verringerung unnötiger Transportverzögerungen weiterhin ein angemessener Stellenwert eingeräumt werden sollte, eine effektive Volumensubstitution mit Blutprodukten jedoch eine bedeutende Möglichkeit zur Verbesserung des Outcomes von Traumapatienten darstellen kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.