Ein Gastbeitrag von Stefanie Maier, Ulm Analgesie ist eine der wichtigsten Maßnahmen in der Notfallmedizin. Da Schmerzen und dessen Beurteilung subjektiv sind, ist die Evaluierung der Erfahrungen von Patienten zu Schmerzen und Analgesie eine wichtige Maßnahme für medizinisches Fachpersonal. Ein schneller Wirkungseintritt, eine kurze Wirkdauer und ein geringes Nebenwirkungsprofil sind wichtige Eigenschaften der Analgesie in der Notfallmedizin. Esketamin führt zu einer sog. dissoziativen Anästhesie mit oberflächlicher Bewusstlosigkeit bei gleichzeitigem Erhalt von Spontanatmung und Schutzreflexen. Der zentrale Wirkmechanismus besteht in einer nicht-kompetitiven Hemmung an NMDA-Rezeptoren. Zudem kommt es zu einer sympathikotonen Wirkung. Daher zählt Esketamin zu den wichtigsten Analgetika in der Notfallmedizin.
Zu den Nebenwirkungen zählen Halluzinationen, Albträume, Unruhe, ein erhöhter Muskeltonus und Übelkeit – also Aspekte, die einen Diskomfort für Patienten bedeuten können.
In einer aktuell veröffentlichten Studie untersuchten Häske et al. die Zufriedenheit von Patienten und die berichteten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der prähospitalen Analgesie mit niedrig dosiertem Esketamin (0,125mg/kg KG Esketamin als Anfangsdosis in Verbindung mit Midazolam). Weitere Analgetika sind nicht verwendet worden.
Häske D, Eppler F, Heinemann N, Schempf B.
Patient-reported side effects and satisfaction of pre-hospital analgesia with low-dose esketamine: a cross-sectional study.
Daten: Die Querschnittsstudie schloss alle Patienten ein, die zwischen Juni und November 2022 beim DRK Reutlingen Esketamin prähospital zur Analgesie erhalten haben. Zur Datenerhebung wurde den Patienten 10 Tage nach dem Ereignis ein Fragebogen zugeschickt. Folgende Daten wurden erhoben: Alter, Geschlecht, bisherige Erfahrungen mit Schmerzen, Schmerzbeurteilung, von den Patienten angegebene Indikation für die Analgesie, Erfolg der Analgesie und Auftreten von Nebenwirkungen.
Die Kategorien der Nebenwirkungen wurden in „keine Nebenwirkung„, „geringfügige Nebenwirkungen„, „erhebliche aber gut tolerierbare Nebenwirkungen„, „grenzwertig tolerierbare Nebenwirkungen“ und „unerträgliche Nebenwirkungen“ eingeteilt.
Die Schmerzbeurteilung wurde mithilfe der Schmerzskala Numeric Rating Scale (NRS) von 0 (= kein Schmerz) bis 10 (= stärkster vorstellbarer Schmerz) durchgeführt.
Ergebnisse: 119 Patienten haben den Fragebogen ausgefüllt (59%). Davon waren 64,7% weiblich. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 68 Jahre (12-87 Jahre). Die häufigsten Indikationen für die Analgesie waren Frakturen (69,5%), Dislokationen (11,9%) und Harnverhalt (6,8%).
Nebenwirkungen:
- 78,5% keine Nebenwirkungen
- 10,0% geringfügige Nebenwirkungen (Träume 19%, Übelkeit 17%, Sehstörungen 16%)
- 11,3% erhebliche, aber gut tolerierbare Nebenwirkungen (Unruhe 25%, Angstzustände 23%, Palpitationen und Dyspnoe 16%, Albträume 13%)
- 0,2% grenzwertig tolerierbare Nebenwirkungen (Übelkeit 2%, Träume 1%)
- 0 % unerträgliche Nebenwirkungen
Die Analyse zeigte, dass Patienten, die älter als 80 Jahre waren, signifikant mehr Nebenwirkungen angegeben haben (p < 0,001).
Schmerzen: Im Median gaben die Patienten anfängliche Schmerzen NRS 10 (5-10) an. 96,3% der Patienten verneinten die zusätzliche Frage, ob die Schmerzen vor Beginn der Analgesie erträglich waren. Auf die hypothetische Frage, ob sie mit diesen Schmerzen hätten schlafen können, antworteten 96,6 % mit Nein. Auf einer vierstufigen Schmerzskala (keine Schmerzen, leichte Schmerzen, mäßige Schmerzen und starke Schmerzen) gaben 6,5 % der Patienten mäßige Schmerzen und 93,5 % der Patienten starke Schmerzen an. Die Patienten der Gruppe „mäßige Schmerzen“ gaben im Durchschnitt einen NRS-Wert von 6 an (5-7), während die Patienten in der Gruppe „starke Schmerzen“ einen mittleren NRS-Wert von 10 angaben. Insgesamt 104 Patienten (92,9 %) erhielten im Krankenhaus eine zusätzliche Analgesie. Nach der Analgesie waren 95,3 % der Patienten zufrieden oder sehr zufrieden.
Die Schmerzerfahrung korrelierte ebenfalls signifikant mit zunehmendem Alter der Patienten (r=0,674, p < 0,001). Die Zufriedenheit mit der Analgesie nahm ebenfalls mit zunehmendem Alter ab (p < 0,001). Beim Vergleich der Schmerzbeurteilung in Abhängigkeit vom Geschlecht gaben weibliche Patienten eine höhere NRS an als männliche Patienten (Median NRS 10 [9-10] versus 8 [8-10], p<0,001).
Aus diesen Ergebnissen folgern die Autoren: Die präklinische Analgesie mit niedrig dosiertem Esketamin zeigt insgesamt eine hohe Patientenzufriedenheit. Zudem werden nur wenige Nebenwirkungen berichtet. Allerdings sollten Patienten über 80 Jahre vorsichtiger behandelt werden, um Nebenwirkungen zu minimieren und gleichzeitig eine ausreichende Analgesie zu erreichen. Für diese Altersgruppe schlagen die Autoren vor ebenfalls alternative Analgetika zu evaluieren (z.B. Opioide, inhalative Analgetika).
Zitat: „Im Median gaben die Patienten anfängliche Schmerzen NRS 10 (5-10) an.“
Wie soll das gehen? 10 ist der Maximalwert, und die Hälfte der Werte liegt darüber…!?
Das geht, wenn mehr als die Hälfte bei 10 liegt. Sie muss nicht drüber liegen, aber eben bei 10.
Lieber Kollege Banks,
vielen Dank für die kritische Auseinandersetzung mit unserem Artikel.
Eingeschlossen wurden Patientinnen und Patienten, welche ein Analgetikum erhalten hatten, also sowieso schon starke Schmerzen hatten und diese damit nicht normalverteilt waren. Die Spannweite der Schmerzen (min.- max.) war 5-10, Median 10, das IQR war 8-10. Das bedeutet, dass die Hälfte der Schmerzangaben nicht über 10 lagen (bei max. 10 wäre das ja irritierend), aber bei 10 lagen. Das passt zu der erwartungsgemäß linksschiefen Verteilung. Für weitere Fragen können Sie mich auch gerne per Email kontaktieren, die Adresse steht ja im Artikel.
Mit besten Grüßen,
David Häske