Prähospitale Blutgasanalyse beim SHT

Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) sollen laut der aktuellen S3-Leitlinie Polytrauma und Schwerverletztenversorgung intubiert und mittels einer kontrollierten Ventilation mit Ziel der Normoventilation beatmet werden. Die Steuerung der Ventilation findet heute prähospital durch end-tidale CO2-Messung statt in der Annahme, dass etCO2 und und der arteielle CO2- Partialdruck (paCO2) gut miteinander korrelieren.

Eine Gruppe Schweizer Kollegen hat das Management von intubierten Schädel-Hirn-Trauma-Patienten, die mittels Rettungshelikopter in zwei Traumazentren in der Schweiz transportiert wurden, untersucht.

Knapp J, Doppmann P, Huber M, Meuli L, Albrecht R, Sollid S, Pietsch U

Pre-hospital endotracheal intubation in severe traumatic brain injury: ventilation targets and mortality – a retrospective analysis of 308 patients.

SJTREM 2023; 31 :46

Die retrospektive Analyse schloss über einen Zeitraum von fünf Jahren die Daten von 308 Patienten ein. Neben Blutdruck und Einsatzzeiten wurden bei Eintreffen im Schockraum arterielle und endtidale Partialdrücke von CO2 verglichen. Der Einfluss von Blutdruck, Ventilation, Einsatzzeiten und verschiedene mögliche Confounder auf das Mortalitätsrisiko innerklinisch wurden in einem multivariaten Regressionsmodel evaluiert.

Daten:

In der Baseline Beschreibung waren die verstorbenen Patienten signifikant älter (p<0.001), hatten häufiger einen initialen GCS von 3 (p<0.001), einen tieferen Blutdruckwert (p=0.045) einen tieferen PetCO2 Wert (<0.001) aber höheren PaCO2 Wert (0.019) und höheren Injury Severity Score Punktewert (<0.001).

Der mediane Blutdruck aller Patienten war 122 mmHg (104, 138). Das mediane PetCO2 4.5 kPa (3.87, 4.93) und mediane PaCO2 5.99 kPa (5.47, 6.79). Zeit am Unfallort betrug im Mittel 30 min (24,37) und die gesamte prähospitale Phase 59 min (51, 68).

Ergebnisse:

Die SHT entstanden zum grössten Teil im Strassenverkehr (45%) und bei Unfällen in Haus und Heim (31%). Die Mortalitätsrtate war 36%. Adhärenz an Blutdruckziele bei schwerem SHT waren bei Übergabe 89% (>90 mmHg) und 55% (>120 mmHg). Hierzu erhielten 24% der Patienten Vasopressoren

Normoventilation am PetCO2 gemessen wurde in 45% erreicht, während dies am PaCO2 gemessen nur noch in 33% der Patienten erreicht werden konnten. Die verbleibenden Patienten waren größtenteils (64%) hyperkapnisch. Eine Übergabe mit Blutdruck und Ventilation im Zielbereich wurde lediglich in 29% der Patienten erzielt.

Sowohl die Zeit am Unfallort, als auch die gesamten prähospitale Zeit hatten im Regressionsmodell keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität.

Normokapnie war stark mit einer reduzieren Krankenhaussterblichkeit assoziiert, aber das endtidal gemessene CO2 bei Eintreffen im Schockraum korrelierte nicht mit dem PaCO2.

Aus diesen Ergebnissen folgern die Autoren: the time required for placement of an arterial cannula and prehospital blood gas analysis may be warranted in severe TBI patients requiring on-scene tracheal intubation.

Damit könnte die die arterielle Blutgasanalyse (BGA) im Rahmen der prähospitalen Versorgung vom SHT-Patienten neue Bedeutung gewinnen. Allerdings sind derzeit verfügbare mobile Geräte mit Einschränkungen verbunden, da für die Messung kühlgelagerte Kartuschen mit Ragenzien erforderlich sind. Mit der Entwicklung moderner mobilder BGA-Geräte werden sich hier neue Möglichkeiten ergeben.

4 thoughts on “Prähospitale Blutgasanalyse beim SHT

  1. Hallo,

    aber was ist die Erklärung für das unterschiedliche CO2 (endtidal, PaCO2). Es müsste ja ein Ventilations-Perfusions mismatch vorliegen. Beim Fehlen einer thorakalen Verletzung sollte ja Ventilation gleich Perfusion sein. Da ja ein Unterschied in der sehr interessanten Publikation nachgewiesen wurde, stellt sich mir die Frage warum das so ist. Gibt es da noch weitere Faktoren?

    Viele Grüße

    1. @Schwarzi; Danke für die Fragen; es gibt einen Haufen zusätzlicher Gründe für diesen Missmatch. Zu erst wäre das Thoraxtrauma und/oder die Kreislaufinstabilität zu nennen (dies wurde aber in dieser Studie wie auch in der: Doppmann P, Meuli L, Sollid SJM, Filipovic M, Knapp J, Exadaktylos A, Albrecht R, Pietsch U. End-tidal to arterial carbon dioxide gradient is associated with increased mortality in patients with traumatic brain injury: a retrospective observational study. Sci Rep. 2021 May 17;11(1):10391) als Grund ausgeschlossen. Technische Faktoren, welche den Totraum vergrössern, wie auch suboptimale Ventilation (zu hohe VT) wären denkbar. Ebenso ist im Rahmen des Crosstalks der Organe (Lunge-Hirn) dieser Missmatch denkbar…

  2. Es freut mich ungemein, dass die Studien von G. Prause et al. der letzten 30 Jahre auch in anderen Systemen bestätigt werden. Das gleiche mismatch existiert übrigens auch im Rahmen einer CPR.
    Vielen Danke für das aufbereiten der Ergebnisse!

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