Raubtierattcken auf Menschen

Seit dem tödlichen Angriff einer Bärin auf einen Jogger mit seinem Hund im norditalienischen Trentino überschlagen sich wieder mal die Diskussionen um das Miteinander von Mensch und Raubtier.

Passender Weise finden wir eine aktuelle Publikation, die in einer sehr umfangreichen Literaturrecherche die Angriffe von großen Landraubtieren weltweit von 1950-2019 analysiert.

Bombieri G, Penteriani V, Almasieh K et al.

A worldwide perspective on large carnivore attacks on humans

PLoS Biol 2023; 21: e300146

doi: 10.1371/journal.pbio.3001946

Ziel der Analyse war die Beschreibung von Häufigkeiten und Ursachen derartiger Angriffe, bei denen Menschen als Beute betrachtet wurden. Dazu wurde nach Spezies, Alter und Geschlecht des Tieres sowie nach Ort und Tageszeit differenziert. Weiter wurde die Rahmenbedingungen analysiert: war das Opfer im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung, während der Berufsausübung in Land- oder Forstwirtschaft oder als Jäger/Wilderer betroffen?  Gesondert wurden spielende Kinder betrachtet.

Als Auslöser wurden folgende Kategorien definiert:

  • Schutzreaktionen eines Muttertiers mit Jungen
  • Unbeabsichtigtes Aufwecken eines schlafenden Tieres
  • Verteidigung von Beute im weitesten Sinne (schließt das Fressen menschlicher Vorräte mit ein)
  • Angriffe durch ein verletztes, erkranktes oder gefangenes Tier
  • Angriff nach Provokation durch Menschen (Jagd, Verfolgung etc.)
  • Durch die Anwesenheit von Hunden provozierte Angriffe
  • Unprovozierte Angriffe, bei dem das Raubtier den Menschen als Beute betrachtet

Im wesentlichen wurden zwei typische regionale Muster der Begegnung von Mensch und Raubtier identifiziert: In Drittwelt-Ländern befanden sich die Menschen zum Arbeiten in der Natur, während es sich in reicheren Ländern um Freizeitbeschäftigungen handelte.

Insgesamt konnten 5440 Angriffe auf Menschen erfasst werden. In 2/3 der Attacken (68 %) wurde der Mensch verletzt und in 1/3 (32 %) getötet.

85 % der tödlichen Attacken ereigneten sich in Drittwelt-Ländern; dazu führen die Autoren an, dass in diesen Ländern mehr Raubtiere (v.a. Raubkatzen) vorkommen, dort aber auch grundsätzlich eine schlechtere (notfall-)medizinische Versorgung anzunehmen sei. Tatsächlich waren Angriffe durch Raubkatzen in 65% der Fälle tödlich, während Bären ihre Opfer nur in 9% töteten.

Ein Großteil der Angriffe haben nach Aussage der Autoren einen defensiven Charakter: Raubtiere verteidigen ihre Jungen oder Ihre Beute – solche Attacken könnten durch umsichtiges Verhalten seitens der Menschen vermieden werden. Eine Sonderform nimmt dabei vermeintliches Futter ein: Menschen sind unvorsichtig mit eigenen Vorräten oder Abfällen, die Raubtiere anlocken. Dies betrifft vor allem das Verhalten von Wanderern oder Nationalparkbesuchern auf Campingplätzen.

Die Begleitung durch einen Hund (wie auch im aktuellen Beispiel) scheint Tiere zu provozieren. Dies wurde ja auch schon wiederholt für Angriffe durch Rinder auf Almweiden beschrieben.

In ärmeren Ländern wie z.B. Indien vermuten die Autoren die Ursache vieler Angriffe in der Expansion des menschlichen Siedlungsraums und der folgenden Zersiedlung des tierischen Lebensraumes mit der Reduktion der natürlichen Beutetiere.

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