Airwaymanagement – wie gut sind die anderen?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Aktuell wurden in Resuscitation interessante Zahlen zu den Erfolgsraten des Airwaymanagements in den USA veröffentlicht.

Nwanne T et al. Advanced airway management success rates in a national cohort of emergency medical services agencies. Resuscitation 2020; 146:43-9; https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2019.11.006

Die Studie bediente sich der Daten aus einem landesweiten Register, in dem Rettungsdienstprotokolle elektronisch erfasst werden:

  • 57.209 Patienten bedurften eines „advanced airway management“
  • insgesamt lag die Erfolgsrate der Atemwegssicherung bei 89,1% (95%-Konfidenzintervall: 88,8-89,3%)
  • die Erfolgsrate der „konventionellen“ endotrachealen Intubation (bei den Amerikanern definiert als Intubation ohne den Einsatz von Muskelrelaxanzien zur Narkoseeinleitung, n=38.004) lag bei 76,9% (95%-Konfidenzintervall: 76,5-77,3%)
  • die Erfolgsrate der Intubation unter Einsatz von Muskelrelaxanzien (n=6.768) betrug 89,7% (95%-KI: 88,9-90,4%)
  • wenn bereits initial ein supraglottischer Atemweg eingesetzt wurde (n=9.461), lag die Erfolgsrate bei 90,1% (95%-KI: 89,5-90,7%)
  • wenn der supraglottische Atemweg (SGA) als „Plan B“ nach gescheiterter endotrachealer Intubation gewählt wurde (n=5.994, in mehr als 80% der Fälle wurde ein Larynxtubus eingesetzt), gelang die Atemwegssicherung in 87,3% der Fälle (95%-KI: 86,4-88,1%)
  • eine notfallmäßige Koniotomie (n=85) gelang nur in 52,9% der Fälle (95%-KI: 41,8-63,9%)
  • bei 202 Patienten wurde – aus welchem Grund auch immer – die Koniotomie als initiale Methode der Atemwegssicherung gewählt. Dies gelang aber nur in 17,3% (95%-KI: 12,4-23,3%)
  • bei reanimationspflichtigen Patienten (n=35.782) gelang die Atemwegssicherung insgesamt bei 91,7% (95%-KI: 91,4-92,0%)
  • bei Trauma-Patienten (n=4.341) bei 84,3% (95%-KI: 83,1-85,3%)
  • bei internistischen Patienten (n=17.086) bei 84,7% (95%-KI: 84,2-85,2%)
  • bei pädiatrischen Patienten (definiert als ≤12 Jahre, n=1.223) bei 73,7% (95%-KI: 71,2-76,2%)

Fazit:

  • Die Atemwegssicherung im prähospitalen Umfeld ist eine Kernkompetenz der Notfallmedizin und muss absolut sicher beherrscht werden.
  • Die Zahlen aus den USA sind einerseits sicher erschreckend:
    • nur bei 9 von 10 Patienten gelingt letztlich die Atemwegssicherung,
    • bei Kindern ≤12 Jahre sogar nur bei 3 von 4 Patienten,
    • nur bei 8 von 10 nicht reanimationspflichtigen Patienten konnte der Atemweg letztendlich auf irgendeine Art und Weise gesichert werden.
  • Andererseits aber: „Wer möglicherweise im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Leider liegen uns für den deutschsprachigen Raum keine vergleichbar großen Registerdaten vor, um hier den Vergleich zu den USA ziehen zu können. Auch hier fehlt vielen Ärzten und Rettungsdienstfachpersonal die fundierte innerklinische Ausbildung und Expertise zur sicheren prähospitalen Atemwegssicherung. So fand Timmermann in einer Beobachtungsstudie eine Rate von 6,7% ösophageal fehlintubierter prähospitaler Patienten (10 von 149 konsekutiven Patienten), die aber alle durch den zusätzlich eintreffenden Notarzt des RTH detektiert und korrigiert werden konnten.
    Timmermann A et al. The out-of-hospital esophageal and endobronchial intubations performed by emergency physicians. Anesth Analg 2007; 104:619-23; DOI:1213/01.ane.0000253523.80050.e9

Die Daten zeigen aber auch:

  • wenn die endotracheale Intubation nicht sicher beherrscht wird, ist möglicherweise die Wahl eines SGA zur Atemwegssicherung die bessere Alternative und
  • beim nicht-reanimationspflichtigen Patienten erhöht der Einsatz von Muskelrelaxanzien die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich
  • ein bundes- oder zumindest landesweites Register zum Benchmarking der Qualität der prähospitalen Versorgung und insbesondere des Atemwegsmanagements wäre überaus wünschenswert

 

Anmerkung: Die Angabe von Konfidenzintervallen bei einer retrospektiven Beobachtungsstudie war mir neu und hat mich überrascht. Die Konfidenzintervalle wurden in dieser Studie anhand des sog. Binominaltests berechnet. Dabei wird die gemessene Häufigkeit einer dichotomen Variable (in diesem Fall: Erfolg/Nicht-Erfolg) verglichen mit der theoretisch zu erwartenden Wahrscheinlichkeit (also 50%).

Im SPSS findet man den Test hier: SPSS-Menü: Analysieren > Nichtparametrische Tests > Alte Dialogfelder > Binomialtest. Im Feld „Testanteil“ muss noch 0,50 eingegeben werden für die zu erwartende Wahrscheinlichkeit von 50%.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.