Nadeldekompression des Spannungspneumothorax bei Kindern

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Zur Wahl des Punktionsorts zur Nadeldekompression des Spannungspneumothorax beim Erwachsenen wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien publiziert. Dies hat in der aktuellen 10. Ausgabe der ATLS-Leitlinien zu der Empfehlung geführt, dass der 4./5. Intercostalraum (ICR) in der vorderen bis mittleren Axillarlinie („Bülau-Position“) zur Entlastungspunktion gegenüber dem 2. ICR in der Medioclavicularlinie („Monaldi-Position“) bevorzugt werden sollte (s. auch news-papers.eu Blogbeitrag). Für Kinder wird in diesen Leitlinien die gleiche Position zur Entlastungspunktion empfohlen, die Datenlage hierfür ist jedoch deutlich dünner.

Tom Terboven und Kollegen haben daher in einer sehr schönen Studie untersucht, welche Punktionsstelle hinsichtlich der Verletzungsgefahr von intrathorakalen Organen bei Kindern zu bevorzugen ist. Verglichen wurde der 2. ICR in der Medioclavicularlinie und der 4. ICR in der vorderen Axillarlinie. Weiterhin wurde die Dicke der Thoraxwand zur Abschätzung der korrekten Punktionstiefe und die Weite des ICR (zur Abschätzung, ob eine Fingerthorakostomie möglich wäre) untersucht und verglichen.

Terboven T et al.Chest wall thickness and depth to vital structures in paediatric patients – implications for prehospital needle decompression of tension pneumothorax. Scand J Trauma Resus Emerg Med 2019; 27:45

Methode:

  • 197 pädiatrische Patienten im Alter von 0, 5 oder 10 Jahren, die sich aus verschiedenen Gründen einer CT-Untersuchung des Thorax unterziehen mussten
  • 58 Patienten mussten aufgrund intrathorakaler Pathologien, die eine valide Aussage über die übliche Anatomie unmöglich machen (z.B. diaphragmale Hernie), ausgeschlossen werden

Ergebnisse:

  • die Weite des ICR war in allen Altersgruppen im 2. ICR signifikant größer als im 4. ICR
  • die Brustwanddicke war in allen Altersgruppen im 4. ICR geringer als im 2. ICR
  • nun die bei Kindern klinisch besonders relevanten Ergebnisse: Das Gefährliche bei der Punktion eines Pneumothorax ist ja, dass man plötzlich – beim Durchdringen der Thoraxwand – zu tief rutscht und so mit der Nadel schwerwiegende Verletzungen intrathorakaler Organe verursacht. Entscheidend ist also: Wie weit sind die gefährlichen Strukturen (z.B. Aorta, Vena cava superior, Herz, Thymus) von der Pleura entfernt. Diese „intrapleurale Sicherheitszone“ war im 4. ICR bei korrektem Punktionswinkel zwar in allen Altersgruppen etwas geringer als im 2. ICR (z.B. in der Gruppe der Säuglinge am rechten Thorax 2,64 cm im 4. ICR vs. 3,44 cm im 2. ICR). Wenn die Nadel jedoch nicht ganz korrekt geführt wurde (also nicht streng sagittal im 2. ICR oder genau senkrecht zur Hautoberfläche im 4. ICR), ändert sich dieses Bild und der 4. ICR bietet deutlich mehr „Sicherheitszone“. Statistisch signifikant wurde dies insbesondere bei den Säuglingen (auf beiden Seiten des Thorax) und auf der rechten Thoraxseite der 5- und 10-jährigen Patienten. Im oben genannten Beispiel der Punktion des rechten Hemithorax beim Säugling betragen dann die Sicherheitszonen 1,58 cm im 4. ICR und 1,01 cm im 2. ICR.
  • Die Studie stellt außerdem fest, dass man bei Punktion des linken Hemithorax im 2. ICR bei Säuglingen und nicht korrekter Nadelführung (also nicht korrekt sagittal) in 16% der Fälle unmittelbar nach Durchdringen der Thoraxwand das Herz punktiert hätte. Dagegen wäre bei Punktion im 4. ICR in dieser Altersgruppe auch bei nicht korrekter Nadelführung eine solche schwerwiegende Komplikation der Punktion einer gefährlichen intrathorakalen Struktur nicht passiert, weder rechts noch links. Den Thymus (als bei Säuglinge sehr gut durchblutetes Organ) hätte man bei Punktion im 2. ICR bei 3 Säuglingen selbst bei korrekter Punktion unmittelbar getroffen.
  • In der Gruppe der 5-jährigen hätte man im 2. ICR in einem Fall selbst bei korrekter sagittaler Nadelführung das Herz sofort nach Durchdringen der Thoraxwand punktiert, in 2 Fällen bei nicht korrekt sagittaler Nadelführung. Dagegen war im 4. ICR keine vitale Struktur direkt an der Thoraxwand anliegend.
  • In der Gruppe der 10-jährigen war bei korrekter Nadelführung (d.h. sagittal im 2. ICR bzw. senkrecht zur Hautoberfläche im 4. ICR) keine vitale Struktur direkt an der Thoraxwand anliegend. Bei nicht korrekter Nadelführung hätte man aber im 2. ICR in 17% der Fälle das Herz punktiert, aber nur in 2% der Fälle bei Punktion im 4. ICR.

Fazit für die Praxis:

  • Eine Punktion eines Pneumothorax bei Säuglingen und Kindern ist riskant, aber muss als lebensrettende Maßnahme bei Spannungspneumothorax beherrscht werden.
  • Die Punktion des 4. ICR in der vorderen Axillarlinie erscheint deutlich sicherer als die Punktion in Monaldi-Position (2. ICR in der Medioclavicularlinie), wo man selbst bei korrekter Nadelführung in einer relevanten Anzahl der Fälle mit hoher Wahrscheinlichkeit Herz oder Thymus verletzt hätte.
  • Die Weite des ICR ist zwar im 4. ICR geringer als im 2. ICR, für die bei Säuglingen und Kindern übliche Punktionstechnik dürfte dieser Unterschied klinisch aber irrelevant sein, solange man sich an der Oberkante einer Rippe orientiert.
  • Ideal wäre bei Punktion des Pneumothorax der (auch prähospitale) Einsatz von Ultraschall, um das Vorliegen eines Pneumothorax an der Punktionsstelle sicher zu verifizieren, an die Thoraxwand anliegenden Strukturen auszuschließen und die Dicke der Thoraxwand abzuschätzen und so eine zu tiefe Punktion mit der Gefahr von Organverletzungen zu vermeiden.
  • Egal ob mit oder ohne Ultraschall, eine Punktion unter kontinuierlicher Aspiration und das „Abspeichern“ der üblichen Thoraxwanddicke in den verschiedenen Altersgruppen ist definitiv zu empfehlen, um eine zu tiefe Punktion zu vermeiden

Der 1. Düsseldorfer Triple ED Day findet am 28.09.2019 im Universitätsklinikum Düsseldorf statt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Programmflyer: Duesseldorfer_Triple_ED_Day_2019

Anmeldung unter: ZNA@med.uni-duesseldorf.de

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