Analgesie bei Myokardinfarkt

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Mit unserem Blog-Beitrag zu den Neuerungen der Leitlinien zur Versorgung von STEMI-Patienten haben wir eine Diskussion zur optimalen Schmerztherapie von Patienten mit Myokardinfarkt angestoßen.

Hier nun eine weitere Arbeit zu möglichen nachteiligen Wirkungen von Morphin:

Farag M et al: Morphine analgesia pre-PPCI is associated with prothrombotic state, reduced spontaneous reperfusion and greater infarct size. Thromb Haemost 2018. doi: 10.1055/s-0038-1629896.

  • prospektive, nicht-randomisierte Studie
  • 300 Patienten mit STEMI zwischen April 2015 und Juni 2016 wurden eingeschlossen
  • 218 Patienten (73%) wurden prähospital mit Morphin behandelt (zusammen mit Ondasetron als Antiemetikum), 82 Patienten (27%) erhielten kein Morphin
  • hinsichtlich der Ausgangsbedingungen (vorangegangene Myokardinfarkte, Vorliegen eines kardiogenen Schocks, Niereninsuffizienz etc.) sowie der Plättchen-hemmenden Therapie gab es zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede
  • auch bei der Katheterintervention und der Antikoagulation gab es keine Unterschiede
  • Patienten, die Morphin erhalten haben, hatten signifikant höhere Spitzen-Troponin-Spiegel als Patienten, die kein Morphin erhalten haben: 1906 ng/l [1002-4398] vs. 1268 ng/l [249-2920], p=0,016.
  • während bei 32% in der Nicht-Morphin-Gruppe sich die ST-Hebungen bereits vor der Katheterintervention vollständig zurückgebildet hatten, war dies nur bei 9% der Patienten in der Morphin-Gruppe der Fall (p<0,001)
  • der angiografisch dargestellte Fluss im Infarktgefäß vor PCI war bei den 49% der Patienten ohne Morphin als TIMI 2 oder 3 zu klassifizieren, dagegen nur bei 22 % der Patienten in der Morphin-Gruppe (p<0,001)
  • die Plättchen-Reaktivität war höher und die Fibrinolyse-Aktivität geringer bei den Patienten, die mit Morphin behandelt wurden.
  • bei den Patienten, die Glykoprotein IIb/IIIa-Inhibitoren i.v. erhalten haben (n=101), fand sich dagegen kein Unterschied im Spitzen-Troponin-Wert und dem TIMI-Fluss vor PCI zwischen der Morphin und der Nicht-Morphin-Gruppe
  • hieraus kann man schlussfolgern, dass durch Morphin möglicherweise die enterale Resorption der Plättchenaggregationshemmer inhibiert wird und dadurch der der erhöhte prothrombotische Status, der geringere TIMI-Fluss und die geringere Rate an spontanen STEMI-Resolutionen im Vergleich zu Patienten, die kein Morphin erhalten haben, ausgelöst wird.
  • als Limitation muss natürlich festgehalten werden, dass möglicherweise Patienten mit schwereren Infarkten mehr Schmerzen hatten und daher überhaupt erst Morphin benötigten. Die Autoren stellen hierzu jedoch fest, dass die klinische Erfahrung diesen Zusammenhang so nicht bestätigt. Zudem sei die subjektive Schmerzwahrnehmung zwischen den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich. Ebenso sei davon auszugehen, dass der Kollateralfluss sowie die Indikationsschwelle des Rettungsdienstpersonals zum Einsatz von Morphin sehr variabel seien, und so kein klarer Zusammenhang zwischen Infarktgröße und Einsatz von Morphin abgeleitet werden kann.

  • Fazit: Diese Studie liefert damit einen weiteren Hinweis darauf, dass möglicherweise der Einsatz von Morphin beim STEMI einer guten Nutzen/Risiko-Erwägung bedarf und ggf. bei leichten Schmerzen oder zur Stressabschirmung andere Medikamente (z.B. Benzodiazepine) Vorteile bieten könnten. Eine randomisiert kontrollierte Studie zu diesem Thema wäre sehr wünschenswert. Auch ein Vergleich zu anderen Opioiden wäre sehr interessant. Bisher ist nur bekannt, dass durch Fentanyl beim STEMI eine vergleichbare Schmerzreduktion wie durch Morphin ohne erhöhte Gefahr von Hypotensionen erzielt werden kann. (Weldon ER et al. Comparison of fentanyl and morphine in the prehospital treatment of ischemic type chest pain. Prehosp Emerg Care 2016.)

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