Neue WHO Guideline zur Triage, Beurteilung und Behandlung von kritisch kranken Kindern 2016

AFRIKA Hauptstr - 1In einem Kommentar in The Lancet von Trevor Duke (Centre for International Child Health, University of Melbourne, Australien) sind wir auf einen sehr interessanten Hinweis gestossen (Lancet 387: 721-724): Die WHO hat neue Empfehlungen zur Triage, Beurteilung und Behandlung von kritisch kranken Kindern veröffentlicht:

Paediatric emergency triage, assessment and treatment: care of critically-ill children. Updated guideline (PDF)

Die WHO gibt regelmässig Handlungsempfehlung zur Versorgung von kritisch kranken Kindern in „low-income“ und „middle-income“ Ländern heraus. Dazu zählen auch die „Emergency Triage Assessment und Treatment“ (ETAT)-Empfehlungen. Als einfache Mittel zur Erkennung eines kritisch kranken Kind sind hier aufgeführt:

  • rascher und schwacher Puls
  • kalte Extremitäten
  • Rekapillarisierungszeit >3 sec.

Nach der WHO-Definition liegt ein kardiovaskulärer Schock vor, wenn alle drei Punkte erfüllt werden.

In Übereinstimmung mit den Vorgaben des Peadiatric Advanced Life Support (PALS) wurde in der Vergangenheit eine intravenöse Volumentherapie mit 20 ml/kg KG als Bolus appliziert, wiederholbar bis zu einem Gesamtvolumen von 60 ml/kg KG. Dies führt in industrialisierten HighTech-Ländern tatsächlich zu einer Letalitätsratenreduktion.

Demgegenüber zeigten die Ergebnissen des Fluid Expansion as Supportive Therapy (FEAST)-Trial (NEJM 2011; 364: 2483-2495) dann aber, für einen ressourcen-limitierten Bereich, dass diese großzügige Volumentherapie die 48-Stunden Letalität (RR: 1,45, 95%CI: 1,13-1,85, p=0,003) und 4-Wochen-Letalität (12,2 vs. 8,7%, p=0,004) von kritisch kranken Kindern in Afrika signifikant erhöht. Da ein Schockzustand viele Ursachen haben kann und diese Ursachen auch unterschiedlich behandelt werden müssen, erfolgte nach dem FEAST-Trial eine Revision der o.g. Empfehlungen, die nun veröffentlicht wurden.

Anbei ein kleiner Auszug aus diesem Empfehlungen (cave: Kinder mit Diarrhoe und Dehydratation sind hier ausgenommen, hierfür bestehen eigene Empfehlungen):

Kinder mit 1-2 Zeichen der eingeschränkter Zirkulation (also ohne Schock):

  • keine Volumenbolus, nur Aufrechterhaltungsdosis nach Alter/Gewicht/Erkrankung
  • cave: möglicherweise ist ein Flüssigkeitsbolus bei Kinder mit nicht allen 3 Zeichen der eingeschränkten Zirkulation schädlich, die unter einem schweren fieberhaften Infekt, schwer Pneumonie, schwerer Malaria, schwere akute Malnutrition, schwerer Anämie, Herzinsuffizienz mit Lungenödem oder Niereninsuffizienz leiden
  • alle Kinder sollten komplett evaluiert und binnen 1 Stunde erneut beurteilt werden

Kinder mit allen 3 Zeichen der eingeschränkter Zirkulation (also mit Schock):

  • hochdosiert Sauerstoff
  • 10-20 ml/kg KG isotone kristalline Flüssigkeit intravenös über 30-60 min 
  • bei Anämie: Bluttransfusion so rasch wie möglich, keine Bolus mit anderen Flüssigkeiten
  • Kontrolle des Blutzuckers, ggf. Substitution
  • Überprüfung der Volumensubstitution: sollten Zeichen der Überwässerung, Herzinsuffizienz oder neurologische Verschlechterung auftreten, sollte die Volumensubstitution gestoppt werden. Immer Schockursache evaluiert.
  • Wenn das Kind sich nach einem initialen Flüssigkeitsbolus immer noch im Schock befindet, soll die weitere intravenöse Applikation von 10 ml/kg KG über 30 min in Betracht gezogen werden
  • weitere Massnahmen des Assessments sind:
    • Inotropika (Adrenalin, Dopamin) oder vasoaktive Substanzen (Noradrenalin) bei weiterhin bestehender Hypotension/Schock
    • Antibiotika bei bakterieller Sepsis +/- Antimalariamedikamente (in Endemiegebieten)
    • Diuretika (wenn Zeichen der Flüssigkeitsüberladung oder Herzinsuffizienz bestehen)
    • Beatmungstherapie (z.B. continous positive airway pressure) bei Hypoxämie oder schwerer respiratorischer Insuffizienz trotz Sauerstoffapplikation
    • Hydrocortison, wenn weiterhin Hypotension trotz Inotropika oder Vasopressoren
    • Adrenalin intravenös oder intramuskulär bei V.a. Anaphylaxie
    • Antivenom bei Zeichen eines Schlangenbisses
    • Thiamin bei Beri Beri (Verdacht) oder schwere Malnutrition
    • Echokardiographie zur Evaluierung der kardinalen Funktion und zum Ausschluss einer Perikardtamponade
    • Tranexamsäure (TXA) und Bluttransfusion bei einer traumatischen Blutung
    • chirurgische Therapie bei abdominellen Notfall oder Trauma
  • Reevaluation von Atemweg (A), Atmung (B), Circulation (C), inkl. Monitoring, Evaluation der Schockursache, Anamnese und körperlicher Untersuchung
  • Nach Kompensation des Schockgeschehens bei normalen Hydrationsstatus nur noch Erhaltungsdosis der Flüssigkeitstherapie

*Zeichen der eingeschränkten Zirkulation:

  • rascher und schwächer Puls
  • kalte Extremitäten
  • Rekapillarisierungszeit >3 sec.

Literatur:

  • Duke T. New WHO guidelines on emergency triage assessment and treatment. Lancet 387: 721-724
  • Maitland K. Mortality after Fluid Bolus in African Children with Severe Infection. NEJM 2011; 364: 2483-2495
  • Paediatric emergency triage, assessment and treatment: care of critically-ill children. Updated guideline (PDF)

Viel Spass beim Lesen der gesamten Empfehlung.

 

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