Windenrettung

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz.

Windeneinsätze in der Luftrettung sind aufwändig. Sie müssen regelmäßig nicht nur am Simulator, sondern auch unter „real life“-Bedingungen mit hohem finanziellen Aufwand trainiert werden, erfordern teilweise einen hohen personellen Aufwand und sind für das Team mit einem höheren Risiko verbunden als der „konventionelle“ Luftrettungseinsatz.

Ruppert und Kollegen von der ADAC-Luftrettung haben nun das Einsatzspektrum der Windeneinsätze zweier im Voralpenraum stationierter Rettungshubschrauber (Christoph 1 in München und Christoph Murnau) evaluiert. Ausgewertet wurden retrospektiv (2006-2015) insgesamt mehr als 20.000 Patienten, 1.813 (9%) davon wurden unter Einsatz der Rettungswinde gerettet.


Die Ergebnisse zeigen:

  • Trauma ist mit fast drei Viertel der Windeneinsätze der führende Einsatzgrund, gefolgt von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 11%. Damit waren Trauma-Patienten signifikant häufiger als in der Gruppe der Patienten ohne Windenrettung (55%, p<0,0001)
  • An therapeutischen Interventionen war bei den Patienten mit Windenrettung bereits am Einsatzort folgendes notwendig:
    • in 40% (730 Patienten) musste mindestens ein Medikament appliziert werden
    • in 11% (190 Patienten) war eine Reposition notwendig
    • in 5% (83 Patienten) eine endotracheale Intubation
    • in 2% (41 Patienten) eine kardiopulmonale Reanimation
    • bei 0,4% (8 Patienten) die Anlage einer Thoraxdrainage
    • in 0,3% (6 Patienten) ein intraossärer Zugang
  • in 16% der Fälle war der Einsatzort so exponiert, dass das medizinische Personal nur unter Eigensicherung arbeiten konnte, 11 Patienten mussten sogar unter Eigensicherung intubiert werden
  • eine Reanimation war in 10 Fällen (also etwa einem Viertel) bei traumatisch bedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand notwendig. Insgesamt konnten 26% der Patienten, bei denen eine Reanimation begonnen wurde, nach ROSC in eine Klinik aufgenommen werden. Dies ist unter Berücksichtigung der schwierigen äußeren Bedingungen bei Windeneinsätzen, der im Vergleich zum städtischen Rettungsdienst sicher deutlich längeren Eintreffzeit und des hohen Anteils an traumatisch bedingten Reanimationssituationen eindrücklich.
  • 21% der Windeneinsätze fanden in Meereshöhen <1000 m statt und somit mutmaßlich nicht im typischen alpinen Bereich

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Praxis?

  • in einem hohen Anteil der Fälle sind relevante medizinische Interventionen vor Ort notwendig
  • einen Notarzt auch bei Windeneinsätzen vor Ort zu bringen ist also medizinisch sinnvoll
  • Interventionen (insbesondere die endotracheale Intubation) unter erschwerten Bedingungen (sehr eingeschränkte Lagerungsmöglichkeiten etc.) müssen beispielsweise in einem Simulationszentrum trainiert werden, um die Patientensicherheit zu optimieren
    • Urs Pietsch, Jürgen Knapp, Ludwig Ney, et al.: Simulation-Based Training in Mountain Helicopter Emergency Medical Service: A Multidisciplinary Team Training Concept. Air Med Journal 2016;35:301-4
    • Petri M, Friedrich L, Hildebrand F, et al. Simulator training: reducing risk in helicopter rescue. Air Med J. 2012;31:117e123
    • Lischke V, Berner A, Pietsch U, et al. Medical simulation training of helicopter supported mountain rescue situations (MedSim-BWZSA). Notfall Rettungsmed 2014;17:46e52.
  • kardiopulmonale Reanimationen bei Windeneinsätzen (2,3%) sind zwar etwas seltener als bei Luftrettungseinsätzen ohne Einsatz der Rettungswinde (3,5%), aber auch keine absolute Rarität. In solchen Fällen können eventuell mechanische Thoraxkompressionsgeräte sehr hilfreich sein.
    • Pietsch U, Lischke V, Knapp J: Mechanische Thoraxkompressionsgeräte in der Luftrettung. Indikation bei Windenrettung und Transport. Notfall Rettungsmed 2017, online first
  • Nicht nur im alpinen Bereich, sondern auch in ausgedehnten Waldgebieten, Klettergärten, Schluchten und im Rahmen der Höhenrettung (Kräne, Hochhäuser) kann der Einsatz der Rettungswinde indiziert sein.

Jeder in der alpinen Luftrettung tätige Notarzt hat sich nach Windeneinsätzen schon die Frage gestellt: „War das wirklich notwendig? Musste ich wirklich dorthin, braucht es den Notarzt „an der Winde“?


Abb: mit freundlicher Genehmigung von Menno Boermans, Fotograf und Rettungssanitäter der Air Zermatt.


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