Gicht – Wie im Anfall therapieren?

In die Notaufnahme kommt am Sonntagnachmittag ein 60-jähriger Patient mit einem geschwollenen und geröteten Großzehengrundgelenk. Der Patient ist schmerzgeplagt und sucht bei Ihnen Hilfe. Schnell stellen Sie die Diagnose einer „Podagra“, also eines akuten „Gichtanfalls“, aber was jetzt?

Engel B et al. Therapieoptionen bei Gicht. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 215–22. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0215 (PDF)


Die wesentlichen Fakts aus dem Artikel kurz zusammenfasst:

  • In der BRD, Epidemiologie:
    • leiden rund 1-2% der erwachsenen Bevölkerung unter Gicht, Prävalenz der symptomatischen Gicht bei > 65 Jahren: 7%
    • rund 20% haben eine Hyperurikämie
    • Gicht ist damit die am meisten verbreitete Form einer Arthritis
  • Ursache: Überproduktion von Harnsäure (Endprodukt des Purinstoffwechsels) sowie erniedrigte Ausscheidung über die Niere und Ablagerung deren Kristalle  in Gelenken oder gelenknahen Geweben als Folge einer Hyperurikämie mit Entzündungsreaktion
  • Leitsymptom: schmerzhafte Schwellungen und Rötungen der betroffenen Gelenke, initial häufig Monarthritis (z.B. Großzehengrundgelenk, Prodagra), bei älteren Patienten aber auch Polarthritiden
  • Dauer des akuten Gichtanfall – unbehandelt: 3 Tage bis 2 Wochen
  • Einteilung der Gicht:
    • asymptomatische Gewebeablagerungen
    • Akute Gicht: rasch einsetzende Entzündung meist nur eines Gelenks, schmerzhafte Überwärmung und Schwellung (Ursache: Harnsäurekristalle führen zu einer Entzündungsreaktion in Gelenken oder gelenknahen Geweben)
    • Interkritische Perioden: inaktive Phasen der Erkrankung zwischen zwei Anfällen, persistierende Hyperurikämie, vermehrten Ablagerung von Uratkristallen im Gewebe, je fortgeschrittener die Erkrankung, des kürzer die unterkritische Perioden zwischen zwei Ereignissen.
    • Chronische Gicht: dauerhafte Gelenkentzündung, Gelenkschmerzen in Ruhe und/oder bei Bewegung
  • Diagnose:
    • Inspektion (typisches Befallsmuster)
    • Anamnese
    • Ausschluss der „red flags“:
      • Trauma
      • Zustand nach intraartikulärer Injektion
      • Operation
      • Fieber
      • schlechter Allgemeinzustand
    • cave: 1/3 der Patienten im akuten Gichtanfall haben eine normwertige Harnsäure

Risikoscore (Schwellenwert >7 Punkte, Sensitivität 92%, Spezifität 89%)

  • Befallsmuster
    • Sprunggelenk/Fuß 1Punkt
    • Metatasophalangealgelenk 2 Punkte
  • Symptome (1=1 Punkt, 2 = 2 Punkte, 3 = 3 Punkte)
    • Gelenkerythem
    • starke Berührungsempfindlichkeit
    • starke Bewegungseinschränkung
  • Verlaufentwicklung (typische Episode = 1 Punkt, wiederholte typische Episoden = 2 Punkte)
    • Schmerzen innerhalb 24 h entstanden
    • Abklingen nach <15 Tagen
    • beschwerdefreie Intervalle
  • Tophusnachweis (vorhanden = 4 Punkte)
  • Laborwerte 
    • Serumharnsäure (<4 mg/dl =-4 Punkte, 6-8 mg/dl = 2 Punkte, >8 u.<10 mg/dl = 3 Punkte, >10 mg/dl = 4 Punkte
    • Synovialanalyse nach Punktion keine Uratkristalle = -2 Punkte
  • Bildgebung
    • Uranablagerung im Ultraschall oder Dual-Energy-Computertomographie 4 Punkte
    • gichttypische Erosionen im konventionellen Röntgen 4 Punkte

Differentialdiagnosen:

  • septische Arthritis
  • Trauma
  • aktivierte Arthrose
  • Pseudogicht
  • rheumatoide Arthritis

Therapie beim akuten Gichtanfall:

  1. nichtmedikamentöse Therapie: Patientenberatung, die Ernährungsempfehlung (www.degam.de/patienteninformationen.html) und die Lagerung des Gelenks (Hochlagerung und Kühlung)
  2. medikamentöse Therapie (Ziel: schnellstmögliche Schmerzfreiheit & Rückgang der Gelenkentzündung):
    • antiinflammatorische Therapie (am besten innerhalb der ersten 12–24 Stunden nach Beginn des akuten Gichtanfalls), Mittel der Wahl sind: NSAR, Glukokortikoide und Colchizin
      • NSAR p.o.: max Dosis; 5-10 Tage bis Abklingen der Symptome, unerwünschte Wirkungen: Nierenfunktionsstörungen, Kontraindikation: Niereninsuffizienz, wichtig ist früher Therapiebeginn
      • Kortikoide p.o.: 30-35 mg Prednisolon p.o. für 5 Tage, unerwünschte Wirkungen: Magensäureüberproduktion, Entwicklung eines Cushing-Syndroms, Stoffwechselentgleisung, Blutdruckentgleisung; Kontraindikation: V.a. infektiöses Geschehen, schlecht geführter Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie, ulzerierende Wunde
      • Colchizin p.o.: Niedrigdosistherapie: Beginn mit 2 x 0,5 mg, danach einmalig 0,5 mg nach 1 Stunde, unerwünschte Wirkungen: v.a. gastrointestinale unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Kontraindikationen: verminderte Kreatinin-Clearance oder Leberinsuffizienz; gleichzeitige Gabe von CYP3A4-Inhibitoren wie z.B. Statinen, Einsatz nur dann wenn Gichtanfall nicht länger als 24 h zurückliegend
    • bei Kontraindikationen gegen die 3 Medikamentengruppen können auch Interleukin-1-Antagonisten (Canakinumab s. c., Einmalgabe mit 150 mg s. c., cave: erneute Gabe frühestens nach12 Wochen) zum Einsatz kommen, unerwünschte Wirkungen: Infektionen (z.B. Harnwegsinfekte, Infekte der Atemwege);  lokale Hautreaktionen an der Einstichstelle, Kontraindikationen bei akuten Infektionen
    • cave: keine Harnsäure-reduziernden Medikamente, da hierdurch ein Gichtanfall ausgelöst werden kann
    • cave: keine Hyperurikämie-induzierende (z.B. Diuretika, niedrig dosierte ASS) mit akuter Gicht neu beginnen oder deren Dosis erhöhen

Ernährungsempfehlungen bei Gicht: 

  • Normalgewicht anstreben, jedoch keine Crash-Diäten oder die Atkins-Diät
  • fettreduzierte Lebensmittel und vegetarische Proteinquellen in die Ernährung integrieren
  • Proteinreiche Nahrungsmittel (z.B. Fleisch, Innerein, Krustentiere, Hefe) vermeiden
  • bei Gicht und Nierensteinleiden auf eine ausreichende Diurese (> 2 L/Tag) achten
  • Alkoholkonsum (Bier- und Spirituosengenuss) reduzieren, mind. an 3 Tagen in der Woche auf Alkohol verzichten
  • keine gezuckerten Getränke, Konsum von Softdrinks und fruktosehaltigen Getränken führt zu einem erhöhten Risiko für Gichtanfall, da Fructose die Harnsäureausscheidung in der Niere hemmt

ür Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die in diesem Blog gegebenen Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Blog abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Wir appellieren an jeden Benutzer etwa auffallende Ungenauigkeiten uns mitzuteilen.

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