Akutes Nierenversagen

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern, Schweiz:

Pickkers P et al: The intensive care medicine agenda on acute kidney injury. Intesive Care Med 2017, online

  • Gebräuchlichste Definition der Nierenschädigung nach Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO)

  • Strategien zur Vermeidung des Akuten Nierenversagen (ANV):
    • Bei Sepsis: der exakte Ziel-Blutdruck für den individuellen Patienten ist nicht bekannt. Bei vorbestehendem Hypertonus scheint ein höherer MAD mit einer geringeren Inzidenz an ANV assoziiert zu sein.
    • Perioperativ: die Dauer und das Ausmaß der perioperativen Hypotension sind mit der Entwicklung eines ANV assoziiert. Aber auch hier sind die optimalen hämodynamischen Zielparameter unbekannt.
    • Keine medikamentöse Option zur Prävention des ANV bisher.
    • Vermeiden von nephrotoxischen Substanzen. Andererseits sollten für die Behandlung des Patienten essentielle Maßnahmen oder Substanzen dadurch dem Patienten nicht vorenthalten werden.

  • Diagnose des ANV:
    • Serum-Kreatinin und Urinausscheidung zur Überwachung der Nierenfunktion sind nicht spezifisch und reagieren verzögert. Andererseits konnte durch Biomarker, die ein früheres Erkennen des ANV erlauben, das Behandlungsergebnis nicht verbessert werden.

  • Therapie des ANV:
    • Kreislaufstabilisierung! Aber: Viel Flüssigkeit hilft nicht immer viel! (siehe unten)
    • Keine Stärke-Lösungen!
    • 10-15% der Patienten brauchen ein Nierenersatzverfahren (RRT).

  • Nierenersatzverfahren (RRT):
    • Zeitpunkt des Beginns: unklar, außer bei lebensbedrohlichen Komplikationen (z.B. Hyperkaliämie, diuretikaresistente Volumenüberladung, therapierefraktäre ausgeprägte metabolische Azidose)). Die Entscheidung muss daher individuell für den Patienten getroffen werden.
    • Zugang: mind. 12 Fr, Ultraschall-kontrolliert, Spitze in der Hohlvene, 1. Wahl: rechte V. jugularis interna, 2. Wahl: V. femoralis, zu vermeiden: V. subclavia
    • Verfahren: Diffusion (Hämodialyse) vs. Konvektion (Hämofilter) oder kontinuierlich vs. intermittierend: keine Evidenz für das eine oder andere durch randomisiert kontrollierte Studien. Beobachtungsstudien zeigen eine bessere Nierenerholung bei kontinuierlichen Verfahren. Wahrscheinlich sind kontinuierliche Verfahren bei hämodynamischer Instabilität und bei Hirndruck-Patienten überlegen.
    • Dosis:
      • kontinuierliche Hämofiltration (CRRT): mind. 20-25 ml/kg/h,
      • intermittierende Hämodialyse (IHD): mind. K*t/V=3,9 pro Woche (wobei K die Clearance bedeutet, t die effektive Dialysezeit in Minuten und V das Körperwasser (60% des Körpergewichts)).
      • Keine Evidenz für Hochdosis-Therapie bei Sepsis.
    • Antikoagulation:
      • CRRT: regionale Zitrat-Antikoagulation, 2. Wahl: Heparin.
      • IHD: unfraktioniertes Heparin oder low-molecular weight heparine oder keine Antikoagulation
    • Weaning: unklar. Ev. Urinausscheidung >450 ml/Tag

  • Langzeitfolgen des ANV:
    • Auch Patienten, die sich von einem ANV erholt haben, haben ein größeres Risiko für die Entwicklung von chronischer Niereninsuffizienz, von dialysepflichtiger Niereninsuffizienz, kardiovaskulären Komplikationen und eine reduzierte Lebenserwartung.

  • Mythen des ANV:
    • Die akute Tubulusnekrose (ATN) ist das histopathologische Korrelat des ANV: Eine ATN wurde in post mortem durchgeführten histologischen Untersuchungen nur lokal und „fleckförmig“ nachgewiesen. ATN ist nur einer von vielen Faktoren beim ANV.
    • Das ANV bei Sepsis wird verursacht durch eine globale renale Ischämie: Der globale renale Blutfluss ist bei Sepsis erhalten. Dagegen ist lokal der Blutfluss eingeschränkt.
    • Aggressive Flüssigkeitstherapie ist die Prophylaxe/Therapie der Wahl: Keine Studie hat bisher gezeigt, dass eine positive Volumenbilanz protektiv für die Nierenfunktion ist. Im Gegenteil: Zahlreiche Studien belegen einen unabhängigen Zusammenhang zwischen einer positiven Flüssigkeitsbilanz und der Mortalität. Eine zu großzügige Volumengabe verschlechtert die Nierenfunktion eher, möglicherweise durch ein interstitielles Ödem.
    • Intensive Vasopressor-Therapie verschlechtert das ANV: Dieser Mythos entstammt aus tierexperimentellen Studien, in denen Norepinephrin direkt in die Nierenarterie injiziert wurde, und der pathophysiologischen Vorstellung, dass die exzessive renale Vasokonstriktion der verursachende Mechanismus des ANV ist. Mehrere klinische Studien zeigen dagegen eine Verbesserung der Nierenfunktion durch eine Anhebung des MAD mit Hilfe von Norepinephrin oder Vasopressin bei Patienten mit Sepsis, hepatorenalem Syndrom oder nach herzchirurgischen Eingriffen.
    • Hochdosis-Therapie verbessert das Outcome bei Sepsis: Zwei große randomisiert kontrollierte Multicenter-Studien konnten keinen Vorteil zeigen.

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