Dosierhilfen in der Kindernotfallmedizin

Bei unserem Beitrag über den Aktionsplan Sichere Notfallnarkose bei Kindern haben wir auf die Nutzung möglicher Hilfsmittel (z.B. Paulino-System®, pädiatrisches Notfalllineal®, Gnom®, Kindersicher® o.ä.) hingwiesen, um kindgerechte Medikamentendosierungen zu ermitteln.

Nun erscheint aktuelle eine Publikation, die versucht den Nutzen des pädiatrischen Notfalllineals® (pädNFL®) wissenschaftlich zu beweisen.

Kaufmann J, et al. Development and Prospective Federal State-Wide Evaluation of a Device for Height-Based Dose Recommendations in Prehospital Pediatric Emergencies: A Simple Tool to Prevent Most Severe Drug Errors. Prehospital Emergency Care 2016 published ahead of print; http://doi.org/10.1080/10903127.2016.1248257

Dabei wird eine retrospektiv ermittelte Gruppe aus dem Rettungsdienstbereich Köln in den Jahren 2007/08 mit prospektiv erhobenen Daten aus den Jahren 2010-2015 der Rettungsdienstbereiche Köln, Leverkusen, Bonn und Aachen verglichen. Betrachtet wurden die Dosierungen der vier Medikamente Fentanyl, Midazolam, Ketamin und Adrenalin. Primäre Endpunkte der Untersuchung war die Häufigkeit und die Schwere der Abweichung von der empfohlenen gewichtsabhängigen Medikamentendosierung, dabei wurden Abweichungen um 20 % und um 300 % und darüber erfasst.

Bemerkenswert ist, dass die in der Methodik errechnete statistische Power (gesamt n=200, n=50 pro Medikament) nicht erfüllt werden konnte. Auch der bundesweite Aufruf an Notärzte sich zu beteiligen und das Angebot für jedes ausgefüllte online-Protokoll € 25,- vergütet zu bekommen, half nicht dieses Ziel zu erreichen.

Trotzdem erfolgte eine statistische Auswertung: Die Zahl der verglichenen Applikationen ist demzufolge sehr gering. So wird eine 300%-ige Abweichungen in der Applikation von Adrenalin bei 4 vs. 0 Patienten (ohne vs. mit pädNFL®) beschrieben und in Anbetracht der Gruppengröße (4 vs. 13) als signifikant gewertet, während der gleiche Unterschied (4 vs. 0) in der Fentanyl-Gruppe in Relation zur Gruppengröße (9 vs. 8) nicht signifikant ist. Trotz dieser geringen Fallzahlen wird der Fokus der Auswertung auf die 300%-igen Abweichungen gelegt (die zweifelsohne auch gefährlicher für die kleinen Patienten sind). Für geringere Abweichungen können keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden. Letztlich wird aus dem Unterschied von 13 vs. 2 Fällen (entspricht 22% vs. 2% in der jeweiligen Gruppe) auf eine statistisch signifikante Reduzierung lebensbedrohlicher Medikamentendosierungen um 90% geschlossen, wenn das pädNFL® eingesetzt würde. Daraus wird ersichtlich wie schwach die statistische Aussagekraft der vorliegenden Studie ist.

Wir sind ebenso wie die Autoren um den Kollegen Kaufmann der festen Überzeugung, dass gerade in der pädiatrischen Notfallmedizin Dosierungshilfsmittel zur Patientensicherheit beitragen, indem sie helfen extreme Dosierungsfehler zu vermeiden. Allerdings sollte die statistische Aussagekraft dieser Arbeit nicht zu hoch bewertet werden. Ein tatsächlicher wissenschaftlicher Beweis steht weiterhin aus. Die Zahl der Kindernotfälle macht glücklicherweise nur einen geringen Anteil unserer notfallmedizinischen Arbeit aus. Entsprechend ist es schwierig einerseits Routine in diesem Bereich zu erlangen und andererseits ausreichend Daten für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen zu erheben. Möglicherweise wäre die Aussagekraft der beschriebenen Studie höher, wenn mehr notärztlich tätige Kollegen dem Aufruf des Autorenteams gefolgt wären, sich an der Studie zu beteiligen. Bitte fassen Sie dies ruhig als Aufruf auf sich an zukünftigen wissenschaftlichen Evaluationen zu beteiligen: Nur so werden wir weitere Erkenntnisse erhalten!


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