Handlungsempfehlung zur prähospitalen Anwendung von Tourniquets

Für die Versorgung von Patienten mit stark blutenden Extremitätenverletzungen, wie beispielsweise nach Sprengstoffanschlägen oder bei Schusswunden gewinnt die unmittelbare und effektive Blutstillung zunehmend an Bedeutung. Dazu finden moderne Tourniquets – wie sie seit vielen Jahren erfolgreich in der Militärmedizin zum Abbinden von stark blutenden Gliedmaßen eingesetzt werden – zunehmend auch im zivilen Rettungsdienst Verwendung. Die Anlage eines Tourniquets erfolgt, um lebensbedrohliche Extremitätenblutungen zeitnah und temporär durch Abbindung der Blutzufuhr zu stoppen, wenn Kompression der Wunde (z.B. mittels Druckverband) nicht ausreicht oder in der gegebenen Situation nicht praktikabel ist. Hierdurch wird ein fortdauernder und unkontrollierbarer Blutverlust vermieden, bis eine suffiziente Blutstillung auf andere Art und Weise möglich ist.

Eine Untersuchung von Bellamy 1984 über die Todesursachen im Vietnamkonflikt zeigte, dass 9% der Todesfälle durch ein potentiell vermeidbares Verbluten aus Verletzungen der Gliedmaßen bedingt waren. Die Erfahrungen aus den aktuellen Konflikten in Afghanistan und Irak haben im vergangenen Jahrzehnt die Anlage eines Tourniquets inzwischen zu einem weltweit etablierten Mittel zur initialen, temporären Erstversorgung von lebensbedrohlich blutenden Gliedmaßenverletzungen gemacht.

Bellamy, R. F. (1984). The causes of death in conventional land warfare: implications for combat casualty care research. Military Medicine, 149(2), 55–62.

Rechtsmediziner aus Berlin beschreiben in einer Begutachtung aller im Jahre 2010 in Berlin prähospital verstorbenen Traumapatienten Verbluten in 67,5% der Fälle als potentiell oder gar definitiv vermeidbare Todesursache. Bei einigen dieser Unfallopfer hätte die Verwendung eines Tourniquets den Blutverlust deutlich minimieren können.

Kleber, C., Giesecke, M. T., Tsokos, M., Haas, N. P., & Buschmann, C. T. (2013). Trauma-related preventable deaths in Berlin 2010: need to change prehospital management strategies and trauma management education. World Journal of Surgery, 37(5), 1154–1161. http://doi.org/10.1007/s00268-013-1964-2

Nicht zuletzt deshalb ist die Anwendung von Tourniquets in der S3-Leitlinie zur Schwerverletztenversorgung eine von allen medizinischen Fachgesellschaften  anerkannte Maßnahme.

S3 Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung
AWMF – Register Nr. 012/019 (2011), 445 Seiten

Da eine unsachgemäße Anwendung eines Tourniquets eine Extremitätenblutung durch venöse Stauung anstatt arterieller Abbindung verstärken könnte und Unsicherheiten über den richtigen Anlageort bestehen, hat die Arbeitsgruppe „Taktische Medizin“ des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) eine Handlungsempfehlung zur prähospitalen Anwendung von Tourniquets verfasst. Diese beschreibt die Indikationen, die richtige Technik sowie einen Algorithmus zum Einsatz von Tourniquets im Bereich der zivilen Notfallmedizin und betont ausdrücklich die Notwendigkeit zur Schulung von Rettungsfachpersonal und Notärzten zum richtigen Umgang mit diesem Hilfsmittel.

Algorithmus Tourniquet

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