REALITY-Studie: Transfusionsstrategie bei Myokardinfarkt und Anämie

Auf dem Virtuellen Kongress des American College of Cardiology wurde die noch nicht publizierte REALITY Studie präsentiert: Diese Studie zeigte, dass eine restriktive Erythrozyten-Transfusionsstrategie (Transfusion für Hb ≤8 g/dl, Ziel Hb 8-10 g/dl) einer liberaleren Strategie (Transfusion für Hb ≤10 g/dl, Ziel Hb >11 g/dl) nicht unterlegen ist.

Randomized Trial of Transfusion Strategies in Patients With Myocardial Infarction and Anemia – REALITY

Ziel der Studie war es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer restriktiven gegenüber einer liberalen Erythrozytentransfusionsstrategie bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt (AMI) und Anämie zu beurteilen.

Methodik: 

  • Patienten mit AMI und Hämoglobin (Hb) ≤8 bis ≤10 g/dl wurden während der Aufnahme 1:1 randomisiert und entweder einer liberalen (für Hb ≤10 g/dl, Ziel Hb >11 g/dl) (n = 342) oder
  • einer restriktiven (für Hb ≤8 g/dl, Ziel Hgb 8-10 g/dl) (n = 324) Transfusionsstrategie zugeteilt.
  • Die Strategien sollten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus oder für 30 Tage beibehalten werden, je nachdem, was zuerst eintritt.

Einschlusskriterien:

  • Myokardinfarkt (ST-Segment-Höhe MI [STEMI] oder NSTEMI)
    • letzte ischämische Symptome <48 Stunden vor der Aufnahme
    • Troponin-Erhöhung
  • Anämie: Hb ≤10g/dl aber >7 g/dl, zu jedem Zeitpunkt des Index Krankenhausaufenthaltes wegen MI

Ausschlusskriterien:

  • Kardiogener Schock
  • Post-perkutane koronare Intervention (PCI) oder post-koronare Arterien-Bypass-Operation
  • Transfusionen in den letzten 30 Tagen
  • Jede bekannte hämatologische Krankheit
  • Massive Blutungen oder Beeinträchtigung der Vitalprognose

Ergebnisse: 

  • Gesamtzahl n= 666
  • Dauer des Follow-up: 30 Tage
  • Mittleres Patientenalter: 77 Jahre
  • Anteil weiblich: 43%

Andere hervorstechende Merkmale/Charakteristika:

  • Vorheriges akutes Koronarsyndrom (ACS): 36%.
  • Vorherige PCI: 34%
  • Chronische Anämie: 18%
  • Bei der Aufnahme: NSTEMI: 70%, Koronarangiographie: 80%, PCI: 59%, CABG: 4%
  • Mittlere Einheiten verpackter RBCs (PRBCs) pro Patient für restriktive vs. liberale Transfusionsstrategie: 2,9 vs. 2,8
  • Mindestens 1 Einheit PRBCs: 35,7% vs. 99,4% (p <0,0001)

Primärer Endpunkt:

  • Tod aller Todesursachen, Reinfarkt, Schlaganfall und Notfallrevaskularisation durch Ischämie bei restriktiver vs. liberaler Transfusionsstrategie – betrug 11,0% vs. 14,0% (Hazard Ratio 0,77, 95% Konfidenzintervall 0,50-1,18, p < 0,05 für Nichtunterlegenheit, p = 0,22 für Überlegenheit).
    • Gesamtmortalität: 5,6% vs. 7,7% (p > 0,05)
    • Wiederkehrender MI: 2,1% vs. 3,1%
    • Notfall-Revaskularisierung: 1,5% vs. 1,9%.

Sekundäre Ergebnisse für restriktive vs. liberale Transfusionsstrategie:

  • Akutes Nierenversagen: 9,7% vs. 7,1% (p = 0,24)
  • Infektionen: 0% vs. 1,5% (p = 0,03)
  • Akute Lungenverletzung: 0,3% vs. 2,2% (p = 0,03)
  • Aufenthaltsdauer: 7,0 vs. 7,0 Tage (p = 0,84)
  • 30-Tage-Krankenhauskosten insgesamt: € 11.051 gegenüber € 12.572 (p = 0,1)

Schlussfolgerung:

  • Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass eine restriktive Transfusionsstrategie (Transfusion für Hb ≤8 g/dl, Ziel 8-10 g/dl) einer liberaleren Strategie (Transfusion für Hb ≤10 g/dl, Ziel Hgb >11 g/dl) nicht unterlegen ist.
  • Darüber hinaus waren Infektionen und akute Lungenverletzungen bei einer liberaleren Strategie höher.
  • Sowohl die Gesamtblutverwendung als auch die Kosten waren bei der restriktiven Strategie niedriger; diese Strategie wurde als kostenbestimmend angesehen.
  • Dies ist eine wichtige Studie und spricht gegen die 10/30-Regel, die einst nach der ACS allgemein praktiziert wurde [MEMO: Die 10/30-Regel besagt, dass der optimale Hb bei 10 g/dl und damit der optimale Hkt bei 30 liegen soll. Das basiert auf einer uralten Empfehlung (keione Studie, siehe Anhang]. Ein unbedeutender Punkt ist, dass in der klinischen Praxis in den USA häufig Transfusionen für Hb ≤7 verabreicht werden; der in dieser Studie untersuchte Schwellenwert lag etwas höher (8 g/dl), möglicherweise aufgrund mangelnder Ausrüstung für Hb-Werte ≤7 g/dl. Ähnliche Ergebnisse, die für eine restriktive Strategie sprechen, wurden für postkardial und nicht-kardial operierte Patienten festgestellt.

Ergebnisse wurde von Dr. Philippe Gabriel Steg auf dem European Society of Cardiology Virtual Congress, September 1, 2020 präsentiert. 

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