Eine Frage der Zeit? Auf das richtige Timing kommt es an…

CPREin Gastbeitrag von Dr. Robert Stangl, Köln

Trotz intensiver Bemühungen bleiben die Ergebnisse insbesondere im Hinblick auf das Überleben in neurologisch adäquatem Status beim außerklinischen Herzkreislaufstillstand (OHCA) unbefriedigend. Nicht abschließend geklärt ist, ob und welche Patienten von einer frühen Transportstrategie unter laufender CPR zu einer erweiterten klinischen Therapie profitieren, und welche, insbesondere neurologische, Prognose, bei einer prolongierten Reanimation zu erwarten ist.

Eine Arbeitsgruppe des Herzzentrums der Universität Köln und des Instituts für Notfallmedizin der Berufsfeuerwehr Köln um Adler und Mitarbeiter sind diesen beiden Fragen nachgegangen. In einer ersten Studie

Adler C. et al. One year experience with fast track algorithm in patients with refractory out-of-hospital cardiac arrest. Resuscitation 2019

konnte gezeigt werden, dass im Rahmen eines Fast-Track–Konzepts ein gut selektioniertes Patientengut von einem möglichst frühen Transport in ein Zentrum mit breitem Versorgungsspektrum inklusiver Herzkatheterintervention und Option zum ECLS profitieren kann. In einer jetzt aktuell publizierten Studie dieser Arbeitsgruppe wurde der Frage nachgegangen, welche Prognose bei prolongierten langen und sehr langen (> 45 min) Reanimationsbemühungen bei OHCA erwartet werden kann

Braumann et al. How long is long enough? Good neurologic outcome in out‐of‐hospital cardiac arrest survivors despite prolonged resuscitation: a retrospective cohort study. Clinical Research in Cardiology 2020 https://doi.org/10.1007/s00392-020-01640-x Published online 3.4.20

Material und Methodik

In dieser monozentrischen, retrospektiven Kohortenstudie konnten über einen Zeitraum von 4 Jahren insgesamt 175 Patienten im refraktären Kreislaufstillstand eingeschlossen werden.
Refraktärer OHCA war definiert als Kammerflimmern oder VT refraktär nach 3 konsekutiven Schocks und 300mg Amiodaron i.v. Nicht-defibrillierbare Rhythmen wurden ausgeschlossen.

Ergebnisse

Das mittlere Patientenalter lag bei 59,6 ± 13,8 Jahre. Bei 83% der Patienten (n=146) war das Indexereignis auf eine kardiale Genese zurückzuführen. Die Gesamtmortalität im untersuchten Kollektiv lag bei 50%. Bei 83% der Überlebenden konnte ein gutes neurologisches Behandlungsergebnis (CPC 1 und 2) erzielt werden. Alter, No-Flow-Zeit und Laktat bei Aufnahme waren unabhängige Prädiktoren eines günstigen neurologischen Behandlungsergebnisses. 18% der Patienten, die ≥45 min bis zur Etablierung eines stabilen ROSC benötigten, überlebten mit neurologisch adäquatem Status (CPC 1 und 2). Diese Patienten waren signifikant jünger als die Patienten des Gesamtkollektivs (50,6 ± 12,5 vs. 59,6 ± 13,8, p=0,03). Die mittlere No-Flow Zeit lag in dieser Subgruppe bei 2,8 ±1,8 min und damit niedriger als im Gesamtkollektiv. Zudem erlitten alle Patienten in dieser Gruppe einen beobachten Herzkreislaufstillstand bei ausschließlich kardialer Ätiologie. Eine Laienreanimation fand in 77% der Fälle statt.

Fazit für die Praxis

  • Bei der vorgestellten Studie handelt es sich um eine monozentrische, retrospektive Untersuchung, so dass eine Validierung der gezeigten Ergebnisse in einem prospektiven, multizentrischen Ansatz mit größeren Patientenzahlen wünschenswert wäre.
  • Unabhängig davon ergeben sich hier deutliche Hinweise darauf, dass bei ausgewählten Patienten auch prolongierte Reanimationsbemühungen >45 min durchaus ein gutes neurologische Behandlungsergebnis in relevantem Umfang erwarten lassen. Diese Ergebnisse stehen teilweise im Widerspruch zu älteren Untersuchungen.
  • Diese Diskrepanz erklärt sich teilweise daraus, dass es sich beim hier untersuchten Kollektiv um ein streng selektioniertes Patientengut handelt, das von einem hochperformanten , großstädtischen Rettungsdienst mit sehr kurzen Reaktions- und Transportzeiten und standardisierten Behandlungspfaden bei OHCA versorgt wurde. In die Untersuchung wurden ausschließlich Patienten mit refraktärem Kammerflimmern/VT aus vermuteter kardialer Genese eingeschlossen.
  • Bei jüngeren Patienten mit kardialer Ätiologie und kurzer No-Flow-Zeit (Beobachteter OHCA, suffiziente Laienreanimation) sowie initial defibrillierbarem Rhythmus, ergibt sich ein Selektionsprofil, dass eine Indikation auch zu prolongierten Reanimationsmaßnahmen darstellen kann. Die vorgelegten Daten unterstützen bei derart ausgewählten Patienten erneut den Stellenwert einer auf einen möglichst frühen Transport ausgerichteten Fast-Track-Strategie in ein Zentrum mit breitem Interventionsspektrum.

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