Spontanpneumothorax – Drainage oder konservativ?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Schweiz/Bern: 

Der Spontanpneumothorax ist zwar ein nicht ganz so häufiges, dafür aber sehr eindrückliches Krankheitsbild in der Notfallmedizin. Die Inzidenz liegt für Männer bei 25:100.000 Einwohner/Jahr und für Frauen bei 10:100.000 Einwohner/Jahr.

Das Vorgehen beim Spontanpneumothorax bisher ist bei einer Größe von >2 cm auf Höhe des Hilus oder >3 cm an der Pleurakuppel und bestehender Atemnot üblicherweise die Aspiration oder die Drainagen-Einlage.

In einer großen randomisiert kontrollierten Studie wurde nun untersucht, ob die konservative Technik oder die Drainage beim Spontanpneumothorax das bessere Verfahren ist.

Brown SGA et al. Conservative versus Interventional Treatment for Spontaneous Pneumothorax. N Engl J Med 2020; 382:405-15; DOI: 10.1056/NEJMoa1910775

  • randomisiert kontrollierte Multicenter-Studie in Australien und Neuseeland
  • Einschlusskriterien:
    • Alter zwischen 14 und 50 Jahren
    • erstmaliger, einseitiger mäßig-großer bis großer Spontanpneumothorax. Die Summe der drei interpleuralen Distanzen, die an der Pleurakuppel, mittig auf Höhe der oberen Lunge und mittig auf Höhe der unteren Lunge gemessen wurden, musste >6 cm betragen.
  • die wichtigsten Ausschlusskriterien waren:
    • beidseitiger Pneumothorax
    • Spannungspneumothorax
    • koexistenter Hämatothorax
    • geplante Flugreise in den kommenden 12 Wochen
  • primärer Outcome-Parameter: Reexpansion der Lunge nach 8 Wochen
  • Nichtunterlegenheits-Studie
  • 316 Patienten wurden randomisiert:
    • n=162 konservatives Management
    • n=154 Drainage des Pneumothorax

Ergebnisse:

  • im primären Outcome-Parameter gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Nach 8 Wochen fand sich 98,5% der Patienten in der Interventionsgruppe kein Rest-Pneu mehr im Vergleich zu 94,4% in der konservativen Gruppe (Differenz von ­4,1%-Punkten, 95%-Konfidenzintervall: -8,6 bis 0,5%-Punkten, p=0,02 für Nichtunterlegenheit)
  • als sekundärer Outcome-Parameter wurde die Symptomfreiheit untersucht: 93,4% der Patienten in der Interventionsgruppe waren nach 8 Wochen vollkommen symptomfrei im Vergleich zu 94,6% in der konservativen Gruppe
  • in den weiteren sekundären Outcome-Parametern gab es aber deutlich Unterschiede zwischen den Gruppen:
    • die mediane Dauer bis radiografisch kein Rest-Pneu mehr nachweisbar war betrug in der Interventionsgruppe 16 Tage (IQR: 12 bis 26 Tage) und in der konservativen Gruppe 30 Tage (IQR: 25 bis 54 Tage)
    • einen erneuten Spontanpneumothorax innerhalb von 12 Monaten erlitten 16,8% der Patienten in der Interventionsgruppe im Vergleich zu 8,8% in der konservativen Gruppe (Risikodifferenz 8,0%-Punkte, 95%-Konfidenzintervall: 0,5-15,4%-Punkte)
    • unerwünschte Ereignisse (z.B. Infektionen an der Eintrittsstelle der Drainage, persistierender Hustenreiz, persistierende Atemnot, erneuter Pneumothorax nach Drainagenzug, Reexpansionslungenödem, Hämatothorax) fanden sich bei 41 Patienten in der Interventionsgruppe und 13 Patienten in der konservativen Gruppe
    • die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthalts betrug 6,1±7,6 Tage in der Interventionsgruppe im Vergleich zu 1,6±3,5 Tagen in der konservativen Gruppe
    • die mittlere Dauer der Arbeitsunfähigkeit betrug 10,9±12,7 Tage in der Interventionsgruppe und nur 6,0±7,3 Tage in der konservativen Gruppe

Fazit:

Diese randomisiert kontrollierte Studie zeigt, dass selbst bei großen Spontanpneumothoraces das konservative Management der Drainageneinlage nicht unterlegen ist. Hinsichtlich von Komplikationen, der Krankenhausverweildauer und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit schneidet das konservative Management sogar besser ab.

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