Beta-Blocker zur Reanimation?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Immer wieder wird ja (u.a. auch in der FOAM-Szene) der Einsatz von Beta-Blockern bei therapierefraktärem Kammerflimmern diskutiert. Pathophysiologisch kann das durchaus Sinn machen, um den beim Kammerflimmern bzw. der pulslosen ventrikulären Tachykardie (pVT) eigentlich unerwünschten beta-stimulierenden Effekt des Adrenalins zu antagonisieren. Mehrere kleine Studien wurde hierzu bereits veröffentlicht in den vergangenen Jahren. Nun ist ganz aktuell eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse dieser Arbeiten in Resuscitation veröffentlicht worden.

Gottlieb M et al. Beta-blockade for the treatment of cardiac arrest due 3 to ventricular fibrillation or pulseless ventricular tachycardia: A systematic review and meta-analysis. Resuscitation 2019; online first. https://doi. org/10.1016/j.resuscitation.2019.11.019

Kurz zusammengefasst:

  • in die Metaanalyse eingeschlossen werden konnten letztlich nur drei Studien mit insgesamt 115 Patienten
  • es handelt sich hierbei nur um Beobachtungsstudien, zwei retrospektive und eine prospektive Studie. Randomisiert kontrollierte Studien existieren zu dieser Fragestellung noch nicht.
  • bei den zwei retrospektiven Beobachtungsstudien wurde Esmolol appliziert, wenn das Kammerflimmern bzw. die pVT nach der dritten Defibrillation, >10 min CPR, 3 mg Adrenalin und 300 mg Amiodaron immer noch persistierte.
  • die dritte (prospektive) Studie, die in diese Metaanalyse inkludiert wurde, passt vom Studiendesign her nicht so ganz auf unsere notfallmedizinische Situation. Hier wurden Patienten untersucht, die nach einem Myokardinfarkt an einem sog. „elektrischen Sturm“ litten. Dieser war definiert als ≥20 Episoden von Kammerflimmern oder pVT über 24 Stunden oder ≥4 Episoden pro Stunde. Hier wurde entweder Esmolol (n=7) oder Propranolol (n=14) oder eine linksseitige Ganglion stellatum-Blockade (n=6) durchgeführt, um die sympathische Wirkung auf das Herz zu reduzieren und so quasi die Wirkung der Beta-Blockade zu imitieren.

Anmerkung: in einer zusätzlichen Sensitivitätsanalyse wurden diese 6 Fälle mit Gangliom stellatum-Blockade alle als negativ gewertet, was die Ergebnisse der Metaanalyse aber nicht veränderte.

Die Ergebnisse der Metaanalyse sahen folgendermaßen aus:

    • vorübergehend ROSC: odds ratio (OR) 14,46; 95%-Konfidenzintervall (KI) 3,63-57,57
    • stabiles ROSC: OR 5,76; 95%-KI: 1,79-18,52
    • Überleben zur Krankenhausaufnahme: OR 5,76; 95%-KI: 1,79-18,52
    • Überleben zur Krankenhausentlassung: OR 7,92; 95%-KI: 1,85-33,89
    • Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis: OR 4,42; 95%-KI: 1,05-18,56

 

  • Anhand dieser Ergebnisse aus der Metanalyse dreier nicht randomisierter Studien mit einem sehr kleinen Patientenkollektiv und extrem weiten Konfidenzintervallen kann man natürlich keinerlei Empfehlungen für die Praxis ableiten. Allerdings erscheint es reizvoll eine groß angelegte Multicenter-Studie aufzulegen, in dem man (analog zur PARAMEDIC 2-Studie nicht Adrenalin mit Placebo vergleicht, sondern beispielsweise Adrenalin mit Noradrenalin oder Vasopressin).

 

  • Wichtig in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen: Bei therapierefraktärem Kammerflimmern sollte zum einen nochmals die Position der Defibrillationselektroden („Patches“) kontrolliert und auch nochmals ein Pneumothorax ausgeschlossen werden („Luft leitet keinen Strom“). Zum anderen stellt beim therapierefraktären Kammerflimmern bei Erfüllen von weiteren Kriterien (Alter<75 Jahre, beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand, no-flow-Zeit <5 min und Fehlen von schweren Begleiterkrankungen) der zügige Transport ins eCPR-Zentrum die weitaus etabliertere Lösungsstrategie dar, falls ein solches Zentrum in sinnvoller Zeit zu erreichen ist.

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