Reanimation im fast track?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Im Rahmen meines Vortrags beim HAI 2019 in Berlin zum Nutzen von mechanischen Thoraxkompressionsgeräten wurde ich mehrfach auf Studien angesprochen, die ich in diesem Vortrag präsentiert habe. Ausgewählte Daten möchte ich daher hier im Blog kurz und übersichtlich darstellen.

Trotz aller Bemühungen in den vergangenen Jahren, das Behandlungsergebnis von Patienten mit prähospitalem Herz-Kreislauf-Stillstand (out-of-hospital cardiac arrest, OHCA) zu verbessern, sind die Fortschritte bisher gering. Daher stellt sich natürlich die Frage, ob und welche Patienten von einem Transport in die Klinik unter Reanimationsbedingungen profitieren, um dort ggf. mit extrakorporalen Verfahren eine Kreislaufstabilisierung zu erreichen oder den akuten Myokardinfarkt (als häufigste Ursache des prähospitalen Herz-Kreislauf-Stillstands) durch eine Katheterintervention therapieren zu können.

Adler C et al. One year experience with fast track algorithm in patients with refractory out-of-hospital cardiac arrest. Resuscitation 2019; online first; https://doi.org/10.1016/j.resuscitation.2019.07.035

 Im Kölner Rettungsdienst wird seit Januar 2018 ein fast track-Protokoll befolgt, das für Patienten mit „refraktärem OHCA“ einen Klinik-Transport unter Reanimationsbedingungen regelt.

Folgende Einschlusskriterien müssen erfüllt sein:

  • Alter 18-75 Jahre
  • beobachteter OHCA
  • no flow-Zeit ≤5 min
  • effektive Laien-CPR
  • mutmaßlich kardiale Ursache
  • initial defibrillierbarer Rhythmus oder – wenn der Kreislaufstillstand durch den Rettungsdienst beobachtet wurde – auch nicht-defibrillierbare Rhythmen

Refraktärer OHCA wird folgendermaßen definiert:

  • kein ROSC nach 3 Schocks und 300 mg Amiodaron
  • bei nicht-defibrillierbarem Rhythmus: Ausschluss von (prähospital) reversiblen Ursachen und kein ROSC nach 10 min CPR

Das fast track-Protokoll umfasste für den prähospitalen Bereich folgende Punkte:

  • prähospitale Ultraschall-Untersuchung auf reversible Ursachen
  • schnellstmöglicher Transport der Patienten mit refraktärem OHCA unter Einsatz von mechanischen Thoraxkompressionsgeräten in ein Zentrum mit der Möglichkeit zum ECLS sowie Herzkatheter-Intervention

Ergebnisse:

  • im Laufe des Jahres 2018 konnten 40 Patienten nach dem fast track-Protokoll behandelt werden (FTA-Gruppe)
  • als Vergleichsgruppe dienten 70 Patienten, die in den Jahren 2014 bis 2017 vor Einführung des fast track-Protokolls unter Reanimationsbedingungen nach individueller Entscheidung des Notarztes vor Ort in die Klinik transportiert wurden (Kontroll-Gruppe)
    • Sterblichkeit: 70% in der FTA-Gruppe vs. 83% in der Kontroll-Gruppe (p=0,151)
    • gutes neurologisches Überleben: 28% in der FTA-Gruppe vs. 11% in der Kontroll-Gruppe (p=0,038)
    • diese Ergebnisse beinhalten auch diejenigen Patienten, die nach dem FTA-Protokoll behandelt wurden, obwohl sie die o.g. Einschlusskriterien nicht erfüllten, der vor Ort behandelnde Notarzt aber dennoch einen Transport unter Reanimationsbedingungen als indiziert angesehen hat.
    • Wenn man nur die Patienten betrachtet, die exakt nach Studienprotokoll behandelt wurden (n=21) sind die Ergebnisse noch eindrücklicher: gutes neurologisches Überleben in 52% und Sterblichkeit von nur 48%

Interessante Nebenergebnisse:

  • bei 13 der 40 (33%)nach dem FTA-Protokoll in die Klinik transportierten Patienten konnte auch ohne eCPR ein stabiles ROSC erreicht werden
  • bei 6% der Patienten konnte mittels Ultraschall eine reversible Ursache prähospital detektiert werden, bei all diesen Patienten lag eine PEA vor
  • mehr als die Hälfte der insgesamt 110 in der Studie evaluierten und unter CPR in die Klinik transportierten Patienten, hatten während der Versorgung vor Ort schon einmal ein ROSC, wurden aber wieder reanimationspflichtig. Diese Patienten konnten dann in 30% lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden, während dies nur bei 11% der Patienten gelang, die prähospital niemals ein ROSC erreicht haben.

Fazit für die Praxis:

  • Die vorgestellte Studie ist natürlich viel zu klein, um einen grundsätzlichen Paradigmen-Wechsel zu propagieren
  • Bei guter Selektion der Patienten kann aber offensichtlich der Anteil der Patienten, die trotz (prähospital) therapierefraktärem OHCA mit gutem neurologischen Ergebnis überleben, signifikant gesteigert werden, wenn ein möglichst zügiger Transport in eine Klinik mit der Möglichkeit zur ECLS und Herzkatheterintervention angestrebt wird. Die wichtigsten Selektionskriterien sind neben den „guten Ausgangsbedingungen“ (bezeugter Herz-Kreislauf-Stillstand, Alter <75 Jahre, no flow-Zeit ≤5 min, effektive Laien-CPR) gemäß der vorliegenden Untersuchung die mutmaßlich kardiale Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstandes sowie offenbar auch das vorübergehende Erreichen eines ROSC prähospital.
    Vermutlich werden auch Patienten mit vermutet reversiblen Ursachen wie beispielsweise einer Lungenembolie oder Hyperkaliämie, die prähospital nicht erfolgreich therapiert werden können, von einem fast track-Konzept profitieren.
  • Selbstverständlich muss ein solches fast track-Konzept – wie in der vorgestellten Studie – nicht nur prähospital, sondern auch innerklinisch mit allen beteiligten Fachdisziplinen (Notaufnahme, Kardiologie, Anästhesie, ggf. Kardiochirurgie) organisiert und etabliert sein
  • Keinesfalls sollten aber unselektiert Patienten unter Reanimationsbedingungen in die Klinik transportiert werden. Dies würde zu einer massiven Überbelastung von Schockräumen und Katheterlaboren ohne relevanten Nutzen für die Patienten führen.

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