Rettungsdienstfachpersonal mit oder ohne Arzt für das schwere Trauma?

Ein Beitrag von PD Dr. Jürgen Knapp, Bern/Schweiz:

Trauma ist nach wie vor weltweit eine der führenden Todesursachen. Durch Unfälle gehen mehr Jahre potenziellen Lebens verloren als durch Herzerkrankungen oder Krebs. Daher ist die optimale Versorgung dieser Patienten bereits im prähospitalen Bereich von großer Bedeutung.

Während die USA und andere englischsprachigen Länder lange Zeit typische Verfechter einer rein mit Rettungsdienstfachpersonal-gestützten prähospitalen Notfallmedizin waren, ist in den deutschsprachigen Ländern ein Notarzt-unterstütztes System üblich. In den vergangenen Jahren wurden jedoch beispielsweise auch in England, Norwegen und Finnland Notarzt-besetzte Rettungshubschrauber (RTH) etabliert.

In einer umfassenden systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse haben die Autoren nun untersucht, ob der kombinierte Einsatz von Rettungsdienstfachmitarbeitern (teils Paramedics) und Arzt für den schwerverletzten Patienten einen Überlebensvorteil bringt.

Knapp J et al. Influence of prehospital physician presence on survival after severe trauma: Systematic review and meta-analysis. J Trauma Acute Care Surg 2019; online first; DOI: 10.1097/TA.0000000000002444

Die wichtigste Grundvoraussetzung bei der systematischen Literatursuche war es, dass die Verletzungsschwere der Patienten in der Gruppe, die von Rettungsdienstfachpersonal und Arzt behandelt wurde, vergleichbar war zu der Gruppe, die ausschließlich von Rettungsdienstfachpersonal behandelt wurde.

In die Gesamtauswertung konnten 22 Studien mit insgesamt ca. 55.000 Patienten eingeschlossen werden. Hier zeigte sich ein deutlicher Überlebensvorteil für die Patienten, die von Rettungsdienstfachpersonal und Arzt behandelt wurden, mit einem relativen Risiko (RR) für die Mortalität von 0,81 (95%-Konfidenzintervall: 0,71-0,92).

Da in den letzten 10 Jahren aber hinsichtlich Ausbildung und Training von Rettungsdienstfachpersonal aber große Fortschritte gemacht wurden und eine enorme Professionalisierung stattfand, wurden zusätzlich nur die Studien evaluiert, die nach 2005 veröffentlicht wurden. Auch hier fand sich ein signifikanter Überlebensvorteil für den kombinierten Einsatz mit einem RR für die Mortalität von 0,75 (95%-KI: 0,65-0,88).

Als weiterer wichtiger beeinflussender Faktor musste der Transport des Patienten mittels RTH berücksichtigt werden, da es mehrere Studien gibt, die hierfür einen Überlebensvorteil für schwerverletzte Patienten nachweisen. Deshalb wurden in einer weiteren Subgruppen-Analyse nur die Studien evaluiert, in denen der Transportmodus vergleichbar war. Diese Subgruppe umfasste 15 Studien mit mehr als 19.000 Patienten. Hier fand sich ein RR für die Mortalität von 0,80 (95%-KI: 0,65-1,00). Auch hier wurden zusätzlich die Subgruppe der Studien betrachtet, die nach 2005 veröffentlicht wurden. In dieser Subgruppe verblieben 7 Studien mit 6.757 Patienten. Der Überlebensvorteil war hier zwar noch als Trend nachweisbar, statistisch aber nicht mehr signifikant: RR für Mortalität 0,74 (95%-KI: 0,53-1,03).

Im Rahmen dieser systematischen Übersichtsarbeit wurden auch die Ergebnisse der einzelnen eingeschlossenen Studien zusammenfassend diskutiert. Zusammen mit den Ergebnissen der Metaanalyse kann man Folgendes schlussfolgern:

  • Es wird zum Thema Überlebensvorteil durch den zusätzlichen prähospitalen Einsatz eines Arztes nie eine klare Evidenz geben, da keine großen randomisiert kontrollierten Studien möglich sind, deren Patientenzahl groß genug ist, um diese Frage zu beantworten. Vermutlich ist der Einsatz eines Arztes nur in ca. 5% der Notfälle wirklich sinnvoll. Dennoch scheint es – zumindest tendenziell – für den schwerverletzten Patienten einen Überlebensvorteil für den kombinierten Einsatz von Rettungsdienstfachpersonal und Arzt zu geben.
  • Viel wichtiger als die Diskussion über den beruflichen Hintergrund des prähospital tätigen Personals ist daher
    • die korrekte Definition von Einsatzkriterien für einen Arzt (in einem flexiblen System von bodengebunden und luftgestützten Rettungsmitteln mit Rettungsdienstfachpersonal und Ärzten).
    • die Identifikation der prähospital relevanten medizinischen Maßnahmen und
    • die Definition des Levels der notwendigen innerklinischen Erfahrung, um diese (ggf. invasiven) Maßnahmen prähospital sicher durchzuführen.

2 thoughts on “Rettungsdienstfachpersonal mit oder ohne Arzt für das schwere Trauma?

  1. Wenn ich das richtig verstanden habe, zeigt die Studie einen Überlebensvorteil durch luftgebundene, ärztlich besetzte Rettungsmittel. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen und liegt möglicherweise auch an den besser trainierten Teams, die nicht „adhoc“ am Unfallort entstehen. Viele bodengebundene Notärztinnen und Notärzte sind, freundlich ausgedrückt, suboptimal trainiert und so selten schweren Traumata ausgesetzt, so dass sie oft keinen Benefit sondern eher Verzögerung in die Versorgungskette einbringen.

  2. Ein sehr klarer und fundierter Artikel zum Thema Sonografie. Ich bin sicher, Sie haben mir damit geholfen. Ich weiß jetzt mehr oder weniger, was zu tun ist. Diese Informationen sind nämlich genau das, was ich gesucht habe.  

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